Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Echt Jetzt - oder was?! - Alltägliches in 32 Variationen

Echt Jetzt - oder was?! - Alltägliches in 32 Variationen

Anemone Hehl

 

Verlag Tredition, 2021

ISBN 9783347213234 , 224 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Echt Jetzt - oder was?! - Alltägliches in 32 Variationen


 

Die Gürtelschnallen - Odyssee

Im Gegensatz zu meiner Freundin Ulla halte ich nicht viel von „Sachen aufheben, man könnte sie ja noch mal brauchen“. Aus diesem Grunde ähnelt der Dachboden meines Hauses einem leeren, vergessenen Tanzsaal. In einer Ecke dümpeln die Kartons mit der Weihnachtsdekoration, daneben reihen sich der Behälter zum Transport eines Kleintieres, zwei Koffer, die viel zu selten zum Einsatz kommen und eine mit Rosen bemalte Hutschachtel, in der ich – ja, was ist da eigentlich drin?

Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern.

Der Sache musste ich auf den Grund gehen. Ich zog mir also die Hutschachtel heran, pustete die dünne Staubschicht fort und öffnete sie mit einiger Mühe, denn der Deckel klemmte.

Unter einer Fuchsstola in lila Tönen, Chic der späten Achtziger , erspähte ich zwei Glitzergürtel, ein Stück Rosen-Seife - noch schwach duftend! – und eine prachtvolle silberne Gürtelschnalle. Sie stellte einen Rad schlagenden Pfau dar. An jedem oberen Ende seiner silbrigen Federn glitzerte ein Diamant. Nun gut, dem damaligen Preis nach zu urteilen sind es nur Glassteine. Das Auge des Pfaus selbst war ein kleinerer schwarzer Glanzstein. Wunderschön!!

Ich war entzückt! Ich packte alles wieder in die Hutschachtel und kletterte damit die Leiter hinab.

Erst einmal den Schatz genauer begutachten! Ich breitete die Fundsachen auf dem Küchentisch aus:

Die Fuchsstola schlang ich mir um den Hals - sie kitzelte ziemlich, aber sie roch gut nach Rosenseife, so dass ich sie erst einmal um behielt. Die beiden Gürtel ließen sich zwar noch um die Taille schlingen, waren jedoch zu meiner herben Enttäuschung nicht mehr zu schließen. Genau gesagt, klafften sie endlos weit auseinander. Ich war damals dreißig Jahre jünger und zehn Kilo leichter. Seufzend legte ich sie beiseite.

Dann fasste ich die Gürtelschnalle näher ins Auge. Sie wog schwer in meiner Hand und funkelte im Licht. Aber oh! Genau in der Mitte fehlte ein geschliffenes Glassteinchen. Wie schade!

Aber Halt! Ich wusste, dass ich in der Knopfschatulle auch Pailletten und Glitzersteine aufbewahrte. Leider wurde ich nicht fündig. Es gab allerdings ein paar Knöpfe - weiß der Himmel, an welchem Kleidungsstück die einst gesessen hatten! -, die in der Mitte einer goldenen Spirale einen Glitzerstein trugen.

Jutta! Genau! Jutta würde mein Problem sicher lösen können. Sie hatte die Geschicklichkeit und die Werkzeuge, den Stein aus dem Knopf zu lösen und in meine Gürtelschnalle einzusetzen. Auf zu Jutta.

Vier Tage später war meine Schnalle vollständig und wie neu. Alle bewunderten das Prachtstück.

Ich überlegte weiter. Die Gürtelschnalle war zu schade, um in einer Schachtel zu liegen und nur ab und an bewundert zu werden. Sie schrie mich geradezu an: „Trag mich!“

Ein Gürtel musste her.

Bei Ahlers in Papenburg werden Ledersachen genäht, das weiß ich. Gürtel sind aus Leder, ergo müsste bei Ahlers mein zukünftiger Gürtel gefertigt werden können.

Ich hatte Pech - es war Mitte Juni und die Schneiderin war bis Anfang Juli in Urlaub, aber…

„Natürlich kann sie Ihnen einen Gürtel anfertigen, gar kein Problem!“, hatte mir die freundliche Verkäuferin versichert.

Es wurden drei lange Wochen, in denen meine Geduld auf eine echte Probe gestellt wurde, denn ich hatten diesen Gürtel eigentlich unbedingt sofort tragen wollen.

Aber siehe, meine geduldiges Ausharren wurde belohnt. Als ich Anfang Juli mit der Schnalle wieder bei Ahlers stand, war die Näherin gut erholt aus dem Urlaub zurück und stand zu meiner Verfügung.

Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass sie über kein Leder verfügte, aus dem man einen breiten, festen Gürtel hätte anfertigen können.

„Wir haben eher die weichen Ledersorten für Jacken und Hosen“, erklärte sie bedauernd.

„Und wenn ich Ihnen einen Gürtel bringe, können Sie ihn dann mit der Gürtelschnalle versehen?“ Das sei überhaupt kein Problem, versicherte sie mir, ich solle einen Gürtel besorgen und wiederkommen für die Änderung.

Ich schnappte den Pfau und marschierte los.

Ich zog den Hauptkanal links hinunter und rechts wieder herauf, betrat jedes Modegeschäft und jeden Handtaschenladen, aber einen Gürtel, an dem ich hätte die Schnalle befestigen lassen können, fand ich dabei nicht. Sie waren alle zu kurz, und da es sich um fertige Gürtel handelte, besaßen sie natürlich bereits eine Schnalle. Ich brauche einen mindestens eineinhalb Meter langen Gürtel, dachte ich düster, aber wo finde ich hier einen Laden für Übergrößen!?

Versteckt zwischen einem Outlet - Laden und einer Drogerie entdeckte ich das „Modeatelier“. Auf dicht bepackten Ständern vor dem Laden wühlten zwei ältere Damen nach Schnäppchen. Im Innern überfiel mich ob der gedrängten Fülle an Kleiderständern kurz ein Anfall von Klaustrophobie, aber ich erspähte einen Platz, an dem mindestens fünfzig Gürtel jeglicher Länge und Breite hingen. Meine durch stundenlanges Training geschulten Augen erblickten tatsächlich auf einem der Ständer einen schwarzen Ledergürtel, der so lang war, dass er den Boden berührte. Durfte ich hoffen, i h n gefunden zu haben?? Während ich das Prachtstück vom Ständer zu ziehen versuchte und zuvor einige andere Gürtel weg hängen musste, bemerkte ich aus den Augenwinkeln die langsam herannahende Gestalt eines älteren Herrn, der sich in der Enge so vertraut bewegte, als sei er hier zu Hause. Er war offensichtlich der Inhaber, denn er grüßte freundlich und fragte nach meinen Wünschen.

„Ich suche einen langen Gürtel“, entgegnete ich und hatte endlich das Objekt meiner Begierde aus der Halterung befreit.

Glücklich schaute ich auf die Innenseite: 125 cm stand da. Ich jubelte innerlich, brach aber abrupt ab, als mir der Herr den Gürtel sanft, aber bestimmt entzog.

„Der ist Ihnen viel zu weit“, erklärte er mir freundlich, „Sie haben eine so zarte Taille, ich zeige Ihnen mal einen anderen.“ „Moment!“, rief ich, „Sie schmeicheln mir ja ungemein, aber ich möchte diesen Gürtel und sonst keinen“, und ich deutete beharrlich auf das 125 cm lange Prachtexemplar, das er mir in so schnöde Weise weggenommen hatte.

Er sah mich irritiert an: „Aber, junge Frau“, versuchte er es noch einmal, „Sie brauchen höchstens einen 95er Gürtel!“

Ich sah mich genötigt, einzugestehen, dass ich den vorliegenden Gürtel quasi beidseitig kastrieren und einem höheren Zweck dienend verarbeiten lassen wollte. Er war nach wie vor etwas konsterniert, machte aber gute Miene zu diesem ausgefallenen Spiel und bewunderte meine Pfauenschnalle, die ich ihm zwecks Begründung meines in seinen Augen so verqueren Wunsches vorführte. Dann überfiel ihn eine nostalgische Trauer angesichts des Gürtels, den ich so schnöde opfern wollte und wies darauf hin, dass dieser Gürtel ja auch eine wunderschöne Schnalle habe.

Ich wollte unbedingt eine lange Diskussion vermeiden und stimmte deshalb in den Lobgesang mit ein, kaufte den langen Gürtel, den er mir dann auch noch freundlicherweise für minus 20% überließ und eilte neu beflügelt und heiter zurück zu Ahlers.

„Ah!“, machte die Näherin, „wo haben Sie den denn gefunden?“ Ich erzählte die Geschichte in Kurzfassung und drängte:

„Jetzt wird es wohl mit der Anfertigung klappen.“ Sie schwieg verlegen. Ich sah ihr ins schuldbewusste Gesicht und hakte nach: „Oder nicht??“

Sie wand sich ein bisschen, kriegte anstandshalber einen hochroten Kopf und gestand mir dann, es ginge nicht, weil sie ja nicht die nötigen Teile zur Verankerung der Gürtelschnalle habe. „Und wo kriege ich die her?“, wollte ich, ziemlich ernüchtert, wissen. Sie hob die Schultern und Augenbrauen bei gleichzeitigem Absenken der Mundwinkel.

„Dass Sie die ganzen Zutaten gar nicht haben, haben Sie mir vorhin nicht gesagt“, warf ich ihr ziemlich deutlich und beleidigt vor. Gleiche Gestik und Mimik.

Tja, so war das! Ich packte meine Utensilien wieder ein, grüßte frostig und verließ das Geschäft mit dem festen Vorsatz, diesen Laden vorerst zu meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Jetzt hatte ich zwar einen Gürtel, der lang genug war, dass man die Beschläge abtrennen und meine Gürtelschnalle irgendwie daran befestigen konnte, ohne dass er zu kurz wurde, aber die Befestigungen, an denen ich den Pfau einhängen müsste, die hatte ich nicht.

Vielleicht gibt es so was bei Mr. Minit. In jedem Supermarkt gibt es so eine Ecke, wo ein Mensch mit grüner Schürze Ledersachen flickt, Schuhe besohlt und Taschen näht. Der müsste...