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Forschungsmethoden und Statistik für die Soziale Arbeit - Grundlagen und Anwendungen

Forschungsmethoden und Statistik für die Soziale Arbeit - Grundlagen und Anwendungen

Mathias Blanz

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2021

ISBN 9783170398207 , 295 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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37,99 EUR

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Forschungsmethoden und Statistik für die Soziale Arbeit - Grundlagen und Anwendungen


 

2          Forschungsfragen und Untersuchungsplanung


 

 

 

2.1       Hypothesen, Gesetze und Theorien


Formulierung von Forschungsfragen


Wie kommen Forschende zur Entwicklung einer Fragestellung? Neben den bereits erwähnten Anlässen – ein soziales Problem, die Überprüfung einer Theorie, eine Auftrags- oder Kooperationsarbeit – kommen weitere Gründe in Frage wie z. B. auffallende Beobachtungen (»Warum reagieren einige Kinder auf Lob und Tadel weniger als andere?«), wissenschaftliche Kontroversen (»Gibt es so etwas wie soziale oder emotionale Intelligenz?«) oder praktische Fragestellungen (»Wie sollte man Lernprozesse während einer sozialpädagogischen Beratung gestalten, damit sich die Lernfortschritte auf den Alltag des Klienten ausweiten?«). Im Laufe des Entscheidungsprozesses sollte man sich u. a. mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Weist die Fragestellung über das persönliche Interesse hinaus Relevanz für die Profession auf? Bin ich in der Lage, die Fragestellung mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln (zeitlich, finanziell, personell usw.) angemessen zu bearbeiten? Lässt sich die Fragestellung überhaupt empirisch untersuchen? Verfolge ich mit meiner Fragestellung lediglich das Ziel, meine persönlichen Vorurteile zu bestätigen? Kann meine Forschung zu dem bestehenden Wissen etwas Gewinnbringendes beitragen? Wie stark wird die Fragestellung von bestimmten Interessensgruppen beeinflusst (Institutionen, Auftraggebern)? Demzufolge kann man eine »gute« Forschungsfrage charakterisieren durch eine hohe Relevanz ihres Themas, ihre prinzipielle Beantwortbarkeit durch empirische Mittel, ihre Umsetzbarkeit auf hohem wissenschaftlichem Niveau, ihre Vernetzbarkeit mit anderen Forschungsbefunden und ihre Robustheit gegenüber Vorurteilen und einseitigen Einflüssen Dritter (Objektivität).

Im Laufe des Forschungsprozesses ( Abb. 1) wird aus einer zunächst eher vagen Forschungsfrage (z. B. »Wie gehen Personen mit einem Migrationshintergrund mit der dauerhaften Veränderung ihrer Umwelt um?«) nach und nach eine konkrete empirisch prüfbare Behauptung (Aussage oder Hypothese) entwickelt (z. B. »Je stärker MigrantInnen ihre Kultur in der neuen sozialen Umwelt akzeptiert sehen, desto höher ist ihr Wohlbefinden«; vgl. Florack & Quadflieg, 2002). Die Aufgabe für die Forschenden besteht an diesem Punkt darin, eine Verbindung zwischen der Forschungsfrage und aktuellen Theorien, die sich auf die Forschungsfrage beziehen (lassen), herzustellen (z. B. die Akkulturationstheorie von Berry, 1997). Dazu ist eine ausgedehnte Suche nach Literatur (Büchern, Artikeln in Fachzeitschriften usw.), die für die Forschungsfrage einschlägig ist, unerlässlich (s. Box 3). Dies umfasst auch Theorien, die für den speziellen Kontext der Fragestellung bislang noch keine direkte Anwendung erfahren haben bzw. Befunde, die in Bezug auf ähnliche Personengruppen oder verwandte Merkmale vorliegen. Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung des Wissenschaftsprozesses ist es dabei häufig unumgänglich, sich auch mit fremdsprachigen Publikationen zu befassen (z. B. in Englisch). Auch die Kommunikation mit den Forschenden oder Forschergruppen (z. B. per E-Mail) kann dabei sehr nützlich sein. Dieser Such- und Rezeptionsprozess kann sich über eine längere Zeitspanne erstrecken und sollte nicht über Gebühr abgekürzt werden (»Ich kann dazu keine Literatur finden«, ohne dass wirklich alle Quellen sorgfältig geprüft wurden), sonst besteht die Gefahr, die eigene Forschung für »neu« zu halten, obwohl sie das nicht ist – ein Fehler, der später kaum mehr gutzumachen ist.

Box 3: Elektronische Literaturrecherche


Heute können zur Literaturrecherche elektronische Suchmaschinen verwendet werden, die man in vielen Hochschulbibliotheken vorfindet (häufig über DBIS, dem Datenbank-Infosystem). Nach dem Erwerb einer Zugangsberechtigung (Login, Passwort) kann man dort spezielle Datenbanken auswählen, die für die jeweilige Fragestellung relevant erscheinen – wie z. B. WISO für wirtschaftliche, soziale und technische Studiengänge, von wo man auch zu SoLIT, der Datenbank des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI), gelangt, oder PSYNDEX für psychologische Fragestellungen oder Datenbanken für statistische und rechtliche Informationen. Auch eine gezielte Suche in ausgewählten Fachzeitschriften kann durchgeführt werden (z. B. durch die Elektronische Zeitschriftenbibliothek, EZB). Insbesondere für englischsprachige Fachzeitschriften der Sozialen Arbeit bieten sich zudem die wissenschaftlichen Netzwerke academia.edu und researchgate.net an. Ein »umgekehrtes« Vorgehen ergibt sich bei der Verwendung des Social Science Citation Index (SSCI), bei dem man für eine zuvor ausgewählte Publikation prüfen kann, ob auf diese in neueren Veröffentlichungen Bezug genommen (zitiert) wird.

Nach Aufruf der jeweiligen Datenbank sind in einer Suchmaske die Auswahlkriterien festzulegen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Eingabe von Schlüsselwörtern (keywords) zur Kurzkennzeichnung der gesuchten Inhalte (z. B. Akkulturation). Darüber hinaus können weitere Kriterien berücksichtigt werden wie z. B. Veröffentlichungszeiträume (z. B. nicht vor 1990), die Angabe bestimmter AutorInnen (z. B. John W. Berry) oder Kombinationen davon. Sind die Schlüsselwörter dabei zu weit formuliert, erhält man mitunter Tausende von Treffern, sind sie zu eng, nur wenige oder gar keine, weshalb der Suchprozess ständig anzupassen ist (ähnlich wie bei GOOGLE), bis man eine überschaubare Anzahl einschlägiger Veröffentlichungen zum Thema erhält. Häufig enthalten die Angaben neben der Nennung der Publizierenden Titel und Quelle der Veröffentlichung sowie eine Kurzzusammenfassung (Abstract oder Summary) des jeweiligen Beitrages, anhand dessen man die Passung zum gewünschten Thema überprüfen kann. Des Weiteren erhält man Angaben dazu, wo die Printfassung des Artikels zu finden ist (bei entfernten Standorten ist eine Fernleihe zu empfehlen). Viele Bibliotheken bieten zudem für einige Quellen einen Volltextzugriff (z. B. im PDF- oder HTML-Format).

Häufig führt die Rezeption der aktuellen Theorie- und Befundlage zu einer Veränderung der anfänglichen Fragestellung, manchmal zu ihrer grundsätzlichen Neuformulierung, manchmal zu einer teilweise Umformulierung, aber immer in Richtung einer Konkretisierung, bis die Fragestellung schließlich in der Aufstellung einer Hypothese (oder mehreren) mündet, die einen deskriptiven (z. B. »MigrantInnen in der Bundesrepublik sind mit ihrer Situation unzufrieden«) und/oder explanativen Charakter (z. B. »Je mehr MigrantInnen in Deutschland an ihrer bisherigen Kultur festhalten können, desto zufriedener sind sie«) aufweisen kann. Da die Begriffe »Hypothesen« und »Theorien« in dieser Phase des Forschungsprozesses von zentraler Bedeutung sind, soll im Folgenden näher auf sie eingegangen werden.

Formulierung von Hypothesen


Während Forschungsfragen in der Regel in einer Frageform vorliegen (»Wie aggressiv geht es an deutschen Schulen zu?«), weisen Hypothesen eine Aussageform auf, d. h. sie beinhalten stets eine Behauptung. Ein Beispiel: »Bullying ist das Ergebnis eines ungünstigen Verhältnisses zwischen der Anzahl der Lehrkräfte und der Anzahl der Schüler und SchülerInnen«. Im Idealfall weist eine wissenschaftliche Hypothese folgende Eigenschaften auf:

•  Die Hypothese sollte erfahrungswissenschaftlich überprüft werden können: Die Behauptung, die in der Hypothese ausgedrückt wird, sollte anhand beobachtbarer Daten dahingehend untersucht werden können, ob sie zutrifft oder nicht. Dazu ist es unerlässlich, dass die Begriffe, die eine Hypothese enthält (im Beispiel: das Auftreten von »Bullying« und das »Betreuungsverhältnis«), messbar gemacht werden können. Dies kann z. B. umgesetzt werden durch eine Erhebung der Häufigkeit von Bullying (etwa auf der Grundlage von Opferangaben) und der Berechnung des Betreuungsverhältnisses mittels der zählbaren Menge an Lehrkräften und Lernenden (einer Klasse, Schule etc.). Eine Hypothese, die diese Bedingung erfüllt, wird auch als empirische Aussage bezeichnet. Verletzt hingegen eine Hypothese diese Bedingung, beispielsweise weil sie metaphysische...