Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Berührungen zwischen Lehrern und Schülern im Sportunterricht. Wie nehmen Sportlehrkräfte Körperberührungen wahr und wie gehen sie mit ihnen um?

Berührungen zwischen Lehrern und Schülern im Sportunterricht. Wie nehmen Sportlehrkräfte Körperberührungen wahr und wie gehen sie mit ihnen um?

Luisa Walkenhorst

 

Verlag Social Plus, 2021

ISBN 9783963551260 , 98 Seiten

Format PDF, ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

36,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.

Mehr zum Inhalt

Berührungen zwischen Lehrern und Schülern im Sportunterricht. Wie nehmen Sportlehrkräfte Körperberührungen wahr und wie gehen sie mit ihnen um?


 

4 Körperberührungen


 

Die persönliche Grenze kann bei jeder Person anders sein, doch es liegt nahe, dass besonders Körperkontakt in unserer Gesellschaft, die zunehmend, durch die Formalisierung von Berührungen, berührungsloser wird, bei vielen zu Unbehagen führen kann (vgl. Wagener, 2000, S. 21). Körperberührungen werden zwar immer seltener, dennoch geschehen sie in unserem Alltag und werden dort oft von den Beteiligten ambivalent wahrgenommen, was in manchem Fall negative Auswirkungen mit sich bringen kann.  Was genau eine Berührung ist und wo im Kontext Schule, mit dem Fokus auf den Sportunterricht, diese auftritt, soll in diesem Kapitel thematisiert werden.

 

4.1 Der Begriff der Berührung


 

Berührungen sind ein wesentlicher Teil unseres Verständigungsrepertoires nonverbaler Kommunikation und gelten als die ausgeprägteste Form von interpersonaler Nähe. In der Kommunikationsforschung spricht man auch von taktiler Kommunikation, welche allerdings bisher nur wenig erforscht wurde. Bei einer Berührung wird eine Mitteilung auf der Beziehungsebene übertragen, welche die Relation zweier Personen zueinander bestimmt. Berührungen geben dabei Auskunft über Intimität, Zuneigung, Sexualität, Fürsorge, Bindung sowie Dominanz, Status und Machtverhältnisse (vgl. Weigelt, 2010, S. 17f). Berührungen sind in unserem Leben ebenso alltäglich wie außergewöhnlich. Wir berühren andere Menschen absichtlich, zum Beispiel beim Händeschütteln, oder ganz zufällig, zum Beispiel ein versehentliches Streifen der Schulter beim Vorbeigehen. Diese Berührungen können dabei als angenehm oder auch als unangenehm empfunden werden. Ob man dabei die Berührung bewusst wahrnimmt und über sie nachdenkt, hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel eigene Erfahrungen, Beziehung zu der anderen Person, aktueller Gemütszustand usw.. Dabei gibt es Regeln für verschiedene Kontexte von Berührungen, zum Beispiel für verschiedene Beziehungen. In manchen Situationen sind sie erlaubt, geboten, vorgeschrieben und in anderen unerwünscht, verboten, tabu (vgl. Wagener, 2000, S. 17ff).

 

,,Berührungen sind – anders als andere Formen der Kommunikation – die Sprache physischer Nähe. Deshalb ist die körperliche Berührung auch der wichtigste aller Kommunikationskanäle – der ausdrucksstärkste, aber auch der reglementierteste und kontrollierteste“ (Thayer, 1988, S. 21).

 

Die Aussage, dass Berührung der wichtigste aller Kommunikationskanäle sei, ist als umstritten anzusehen, da im Allgemeinen in unserer Gesellschaft die Sprache als das Mittel der Kommunikation gilt.  Dennoch ist die Berührung, von besonderer Relevanz für Säuglinge und Kinder und in Kontexten der Bedürfnisbefriedigung. Für die meisten Berührungen gibt es dabei Konventionen. Diese Berührungsregeln sind nur in den seltensten Fällen schriftlich festgehalten, da die meisten Menschen ein feines Gespür dafür haben sollten, was angemessen ist und was nicht. Die Konventionen sind in verschiedenen Kulturen, Subkulturen und Gruppen unterschiedlich und auch von der Beziehung der Berührenden und der jeweiligen Situation abhängig. Eine Berührung kann in der einen Situation freundlich gemeint sein, zum Beispiel beim Sport, und in einer anderen Situation wäre sie sehr intim, zum Beispiel bei einem Essen zu zweit. Gerade der Sport macht dabei Verhaltensweisen möglich, die sonst tabuisiert sind (vgl. Wagener, 2000, S. 19f).

 

Die Berührungen lassen sich nach Thayer (1988) in fünf Gruppen unterteilen:

 

 

Abb. 4. Formen der Berührungen nach Thayer (1988) (vgl. Wagener, 2000, S. 21)

 

Diese Einteilung (siehe Abb. 4.) erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, dennoch ist sie zu einfach gehalten, da die Vielfältigkeit von Berührungen und die damit verbundenen ausgelösten Empfindungen zu wenig berücksichtigt werden. Außerdem werden gewalttätige Berührungen und Berührungen in einem hierarchischen Kontext nicht mit einbezogen. Jedoch ist gerade dies von großer Bedeutung, um die Spannbreite von Berührungen und die möglichen ausgelösten Gefühle und Reaktionen verständlich zu machen. Damit eine Berührung von jemandem als angenehm wahrgenommen wird, ist die beidseitige Bereitschaft zu dieser notwendig. Wird die Berührung nur von einer Seite gewollt und ausgeübt, kann dies ein Zeichen von Macht und Gewalt sein (vgl. Wagener, 2000, S. 22f). ,,Dies gilt sowohl für private, tatsächlich oder vermeintlich freundschaftliche oder intime Kontakte, wie auch für Kontakte im Arbeitsleben und ebenso für professionelle Berührungen“ (ebd. , S. 23). Es bleibt festzuhalten, dass es bei der Wahrnehmung von Berührungen immer ein Risiko der Uneindeutigkeit und Doppeldeutigkeit gibt. Dieser Umstand trägt als einer von mehreren Faktoren zur Entstehung von Ambivalenzen in Berührungssituationen bei. Mit Ambivalenz sind dabei die Zwiespältigkeit und ein Spannungszustand zwischen zwei Bedeutungen gemeint, deren man sich nicht sicher ist. Dies impliziert mit Bezug auf das Kapitel 3.4, dass außerhalb von ritualisierten Kontexten oder privaten Beziehungen nicht immer klar ist, ob die Berührung eine Grenzüberschreitung darstellt. Diese Schwierigkeit der eindeutigen Wahrnehmung ist dafür verantwortlich, dass manche Berührungen mit dem Verdacht einer erotisch-sexuellen Motivation einhergehen (vgl. Weigelt, 2010, S. 20f).

 

Es ist festzuhalten, dass Berührungen negative Auswirkungen haben können. Doch diese negativen Folgen von Berührungen, die im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen (siehe Kapitel 3.4), lassen die positiven Folgen von Berührungen oft unbeachtet. So sind körperliche Berührungen wichtig für unser emotionales und psychologisches Gleichgewicht und können den Stoffwechsel in Schwung bringen. Der Hautkontakt ist ein elementares Bedürfnis und muss immer wieder neu befriedigt werden. Die Berührung kann dabei als ein Mittel zum Ausdruck von Zuneigung und Ermunterung verstanden werden. So kann ein flüchtiger Klaps auf die Schulter oder ein kurzer, sanfter Griff am Arm eine Welle angenehmer Gefühle hervorrufen. Die Berührung kommt dabei immer von außen, sie wirkt aber vor allem nach innen und erfasst den ganzen Körper. Dieser Ausdruck einer besonderen Nähe und Verbundenheit kann sich auch beim Sport zeigen, wenn zum Beispiel Fußballer, deren Mannschaftsgefüge und Zusammenhalt sehr gut ist, sich während eines Spiels öfter anfassen, ermuntern oder anstupsen. Berührungen können so innerhalb eines Teams das Teamgefühl stärken und sogar das Leistungsvermögen steigern. Körperliche Nähe kann sich dementsprechend positiv auf die sportliche Leistung und das Wohlbefinden eines Teams auswirken (vgl. Bartens, 2014, S. 17f, 178; Paasch, 2019, S. 1- 4).

 

Wie eine Berührung wahrgenommen wird und ob deren Folgen positiv oder negativ sind, hängt von der Beziehung der Personen sowie von dem situativen Kontext ab. Das folgende Kapitel beschäftigt sich deshalb mit Berührungen im Kontext Schule, insbesondere im Rahmen des Sportunterrichts.

 

4.2 Körperberührungen in der Schule


 

Seit den 1970er Jahren wird sich viel mit dem Thema Körper und Körpersprache im schulischen Kontext in schulpädagogischen Veröffentlichungen befasst. Dabei geht es häufig darum, wie man mittels Körpersprache den Unterricht gewinnbringend organisieren kann. Doch leider geht es selten um die Berührungen von Körpern und wissenschaftliche Studien zu diesem Thema gibt es kaum. Es gibt einige Beiträge zu Körperkontakt, die die Lerngruppen in den Blick nehmen, jedoch den Lehrkräften und ihrer Beteiligung weniger Beachtung schenken. Das Thema Körperkontakt in der Schule ist demnach noch unzureichend erforscht und bildet eine Leerstelle im Diskurs (vgl. Weigelt, 2010, S. 34f). Doch dass Berührungen im Schulalltag vorkommen, bleibt nicht aus. Die Schüler*innen berühren sich beim Spielen in der Pause oder auch im Unterricht immer wieder untereinander. Ebenso kann es zu Berührungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen kommen. Den wohl größten Platz für Berührungen in der Schule bietet vor allem ein Fach, nämlich der Sportunterricht.

 

Wie in Kapitel 3.3 bereits angeklungen ist, gab es früher in der Schule ein Berührungsverbot, welches Körperberührungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen gänzlich untersagte. Seit dem Jahr 1980 wurden dann im Sportunterricht unter bestimmten Umständen Berührungen bei Hilfestellungen erlaubt. Diese Regelungen zeigen auf, dass dieses Thema auch von staatlicher Instanz als prekär angesehen wurde. Außerdem gibt es seit dem Jahr 2006 einen vom Senator für Bildung und Wissenschaft beschlossenen, Bremer Erlass, der darauf hinweist, dass unnötiger Körperkontakt, insbesondere im Sportunterricht, sexuell diskriminierend gegenüber Schüler*innen sein kann und attestiert dem Sportunterricht im Gegensatz zu anderen Fächern damit eine besondere Ambivalenz. Zudem gibt es in der wenigen sportunterrichtlichen Praxisliteratur fast nichts zu diesem Thema. Es wird lediglich die Legitimation des Anfassens für das Geräteturnen betont und auf die Gefahren vorwiegend für männliche Sportlehrkräfte hingewiesen, da diese zum Beispiel bei der Hilfestellung im Turnen potenziellen Missbrauchsanschuldigungen ausgesetzt sein können (vgl. Weigelt, 2010, S. 13f; 39ff). Diese Legitimation im Turnen findet sich dabei in den Richtlinien und Lehrplänen wieder (vgl. Menze-Sonneck, 2010, S. 44; Weigelt, 2010, S. 39ff;...