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Das Horn von Afrika - Äthiopien, Dschibuti, Eritrea und Somalia: Geschichte und Politik

Das Horn von Afrika - Äthiopien, Dschibuti, Eritrea und Somalia: Geschichte und Politik

Alfred Schlicht

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2021

ISBN 9783170369672 , 212 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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28,99 EUR

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Das Horn von Afrika - Äthiopien, Dschibuti, Eritrea und Somalia: Geschichte und Politik


 

1          Von den ersten Menschen bis zu den frühen Staaten am Horn von Afrika


Erste Menschen


Afrika ist eine der Wiegen der Menschheit. Einige der ältesten Spuren von Menschen wurden am Horn von Afrika entdeckt. Millionen Jahre alte Überreste von Hominini kommen vor allem am Afrikanischen Grabenbruch vor, der von der Küste des Roten Meeres durch die heutigen Staaten Dschibuti und Äthiopien und weiter in südlicher Richtung verläuft. Menschenfunde wurden im Süden des heutigen Äthiopien an der Grenze zu Kenia gemacht. Schwerpunkt solcher Funde ist jedoch die Afar-Senke (auch Danakil-Senke oder Afar-Dreieck),1 ein Tiefland im Nordosten Äthiopiens, das sich nach Eritrea, Dschibuti (Djibouti) und Somalia erstreckt. Am Awash-Fluss, der diese Region von Süd nach Nord durchfließt, wurde 1997 der Ardipithecus ramidus kadabba entdeckt, das erste Spezimen eines definitiv auf zwei Beinen gehenden Menschen. Er ist mit 5,2 bis 5,8 Millionen Jahren der älteste Fund in diesem Raum. Nur in Kenia und im Tchad fanden sich menschliche Reste, die möglicherweise noch etwas älter sind. Berühmtheit über die Fachkreise hinaus hat ›Lucy‹2 erlangt, die zwar ›nur‹ 3,2 Millionen Jahre alt ist, aber ein weitgehend vollständiges Skelett darstellt, das heute im Nationalmuseum von Addis Abeba aufbewahrt wird. Vielleicht wegen dieser Vollständigkeit wird ›Lucy‹ von den Äthiopiern ›Dinqenesch‹ (Du bist so wunderbar) genannt. Sie wurde 1974 ebenfalls am Awash-Fluss gefunden.

Die menschlichen Spuren im eritreischen Buya sind mit einer Mio. Jahre dagegen vergleichsweise ›jung‹. All diese Menschenfunde sind jedoch in jedem Fall sehr viel älter als der in Europa gefeierte ›Ötzi‹, der 1991 in Südtirol gefunden wurde, mit einem Alter von nur etwas über 5000 Jahren allerdings auch bereits ein homo sapiens sapiens ist.

Schon in der griechischen Antike muss das Horn von Afrika ein Ort gewesen sein, an dem die Menschheit ihren Ursprung suchte: ›Aithiops‹ war eine mythische Gestalt, die im Osten am Ozean lebte und sowohl die älteste als auch die vollkommenste Verkörperung des Menschen darstellte.3 Wie sich dieses Gesamtbild durch die Entdeckung des etwa 11,6 Mio. Jahre alten aufrecht gehenden ›Danuvius guggenmosi‹ im Allgäu im Jahre 2019 ändert, bleibt abzuwarten.

Historisch nicht mehr so weit entfernt von uns sind Werke, die Menschen geschaffen haben: Stelen etwa, deren älteste auf das Jahr 5000 v. Chr. zurückgehen, und Felsmalereien, die teilweise erst im 21. Jahrhundert am Horn von Afrika gefunden worden sind. Dabei handelt es sich nicht nur – wie andernorts vielfach –

Abb. 1: Lucy, Äthiopisches Nationalmuseum, Addis Abeba.

um Höhlenmalereien, sondern die Darstellungen finden sich teilweise auch unter freiem Himmel, unter Felsvorsprüngen, wo sie über die Jahrtausende geschützt waren und auch die damaligen Künstler und ihre Herden möglicherweise Schutz vor Sonne und Regen fanden. Diese frühen Kunstformen finden sich in allen Ländern am Horn von Afrika – in den heutigen Staaten Äthiopien (bis in den tiefen Süden), Eritrea, Dschibuti und Somalia, wo sich im Felsmassiv von Laas Geel bei Hargeysa die vielleicht besterhaltenen polychromen Felsmalereien Afrikas befinden. Teilweise sind sie fast 10 000 Jahre alt, damit aber deutlich jünger als die Malereien in den europäischen Höhlen wie z. B. in Lascaux und Altamira. Abgebildet werden vor allem Rinder und Schafe, aber auch Giraffen, Elefanten, Strausse und Kamele. Menschen werden ebenso dargestellt, bewaffnete Jäger und Krieger, auch eine Melk-Szene. Vergleichbare Höhlenmalereien befinden sich im somalischen Dhambalin und in Karin Heegan (70 km östlich von Boosaaso).

Abb. 2: Prähistorische Felsmalerei in Laas Geel, Somalia.

Das Land Punt und frühe Staaten am Horn von Afrika


Historisch signifikant sind die ägyptischen Beziehungen zur Region am Horn von Afrika, die seit dem ›alten Reich‹ (2700–2200 v. Chr.) bestehen. Das Land Punt4 am Horn von Afrika – auch hier sind die Anfänge in mythologischen Nebel gehüllt – wurde als Urheimat der altägyptischen Götter aufgefasst. Zwar gab es wahrscheinlich keinen Staat dieses Namens, kein regelrechtes ›Reich‹ Punt – aber ›Punt‹ war durchaus kein Phantasiegebilde. Lange war umstritten, wo dieses sagenhafte Land im Süden, mit dem Ägypten intensiven Handel getrieben hat, genau lag. Neuere Forschungen zeigen, dass es sich um die Küste des Roten Meeres zwischen dem Sudan und Somalia gehandelt haben muss, um Nordäthiopien und Eritrea und den Fluss Gasch; möglicherweise gehörte auch Südarabien, das ohnehin seit jeher eng mit der afrikanischen Seite des Roten Meeres verbunden war, zu Punt. Besonders ein Relief auf dem Totentempel von Königin Hatschepsut aus dem 15. Jahrhundert v. Chr. gibt uns einen lebhaften Eindruck von Punt, seiner Flora und Fauna. Die Verbindung zwischen Ägypten und Punt verlief einerseits über den Landweg, durch das Land Kusch (Nubien) am Nil (heutiger Sudan), andererseits aber mehr und mehr über den Seeweg. Weihrauch und Gold waren wichtige Handelswaren auf diesem Weg, ebenso Elfenbein, Ebenholz, Straußenfedern und -eier sowie Leopardenfelle und Affen.

Punt ist auch heute noch ein in der Region sehr präsenter Begriff und in Somalia bis in die Gegenwart ein wichtiges Element des ideologischen Versuchs, eine lange Tradition und weit zurückreichende historische nationale Kontinuität zu konstruieren.

Auch Ophir gehört in diesen Kontext als Land, das bereits in der Bibel erwähnt wird, aber auch in weiteren schriftlichen Quellen aus dem alten Israel, das aus Ophir Gold bezog. Über die Lage von Ophir gibt es jedoch mehrere Thesen – von Sri Lanka über Indien und Simbabwe bis zur eritreischen Küste.

Die Küste des Roten Meeres und des Indischen Ozeans ermöglicht zahlreiche Kontakte und öffnet das Horn von Afrika äußeren Einflüssen. Spätestens seit dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. gibt es Verbindungen zum südlichen Arabien und seinen Kulturen. Auffallend sind die kulturellen Ähnlichkeiten zwischen der Tihama, der jemenitischen Küstenebene am Roten Meer, und der eritreischen Küste5 gegenüber, wie beispielsweise ein Vergleich der eritreischen Ona-Kultur6 (um Asmara) und der jemenitischen Sabr-Kultur verdeutlicht.

Südaraber sind schon früh am Horn präsent, der Einfluss ihrer Sprache und Schrift ist allgegenwärtig. Die ältesten Inschriften7 am Horn von Afrika sind sabäisch (also südarabisch). Auch ihre Religion – belegt durch Darstellungen der Sonnenscheibe und der Mondsichel (wenn deren Bedeutung auch inzwischen kontrovers diskutiert wird) – brachten Sabäer ans Westufer des Roten Meeres. Weit gespannte Handelsbeziehungen belegen auch Inschriften (z. B. indischen Ursprungs) bereits aus vorchristlicher Zeit auf der kleinen Insel Sokotra vor Kap Guardafui (heute zum Jemen gehörig, faktisch seit 2020 von südjemenitischen Rebellen kontrolliert) am Eingang zum Golf von Aden.

Wichtigster Hafen dieser Zeit am Horn von Afrika ist Adulis am Golf von Zula, etwa 40 km südlich vom heutigen Hafen Massawa in der Nähe des eritreischen Dorfes Foro. Adulis existierte bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. und wird aufgrund seiner Bedeutung für den internationalen Handel in zahlreichen antiken und mittelalterlichen Quellen genannt. Im 7. Jahrhundert v. Chr. wird es schon von Griechen und Phöniziern angelaufen und beginnt bereits, eine immer wichtiger werdende Rolle im interkontinentalen Handel zu spielen. Aber auch kleinere Häfen wie Opone, Mosylon oder Zayla (im heutigen Nordsomalia) gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Der erste regelrechte Staat am Horn von Afrika ist Da’amat,8 das im 8./7. Jahrhundert v. Chr. aufblüht. Es entfaltet sich in der Gegend der späteren Metropole Aksum in der nordäthiopischen Region Tigray, zwischen Mekele und Addigrat; also in dem Teil des Horns von Afrika, in dem Jahrhunderte später eine Großmacht, das Reich von Aksum, aufsteigen wird. Da’amat selbst ist jedoch von begrenzter Ausdehnung und existierte nur relativ kurze Zeit. Es war stark südarabisch geprägt. Die südarabischen Götter werden hier in Inschriften genannt und angebetet – noch immer eindrucksvoll ist der Tempel in Yeha, der Almaqah,9 dem höchsten Gott des sabäischen Pantheon, gewidmet ist. Wir haben nur wenige schriftliche Quellen (6 sabäische Inschriften mit einheimischen sprachlichen Einflüssen) aus diesem Staat. Die Hauptstadt Yeha bietet jedoch interessante handwerkliche Überreste und archäologische...