Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Faktencheck Ernährungsdschungel - Was wirklich in unserem Essen steckt

Faktencheck Ernährungsdschungel - Was wirklich in unserem Essen steckt

Fritz Treiber

 

Verlag Verlag Carl Ueberreuter, 2021

ISBN 9783800082087 , 180 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

Geräte

7,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Faktencheck Ernährungsdschungel - Was wirklich in unserem Essen steckt


 

VORWORT ODER EIN APPETITHAPPEN KOMMT SELTEN ALLEIN


Liebe Leserin, lieber Leser! Das Vorwort eines Buches ist oft eine verzwickte Sache für den Autor. Zu viel soll nicht vorweggenommen werden, damit es sich später nicht wiederholt. Zu kurz soll es nicht sein und zu lange schon gar nicht. Seitenweise Danksagungen an Leute, die Ihnen unbekannt sind, helfen bei der Lektüre ehrlicherweise auch nicht weiter. Und wenn es Ihnen auf den ersten drei Seiten des Buches schon langweilig wird und Ihnen bei dem Gedanken an die Seitenzahl ein leiser Seufzer entwischt, dann habe ich als Autor etwas falsch gemacht.

Einen biografischen Einstieg finde ich immer recht nett, so erfährt man etwas über den Verfasser und auch über seine Beweggründe, warum er dieses Werk verfasst hat. Keine Angst, es wird keine Autobiografie werden, dafür bin ich noch zu jung – obwohl, einige lustige Geschichten habe ich auf der Universität und in den Laboren schon erlebt. Erst unlängst schaffte es eine Gruppe meiner Studierenden bei der Laborübung „Experimente in der Ernährung“, im Backrohr Backpapier zum Brennen zu bringen. Als nicht minder geniale Draufgabe wollten sie es durch Ausblasen löschen. Und da muss ich meinem Kollegen Walter Gössler von der analytischen Chemie recht geben: Im Ernährungsstudium braucht es mehr Chemie. Passiert ist niemandem etwas, auch die Feuerwehr musste nicht kommen und der Zusammenhang zwischen Feuer und Sauerstoffzufuhr ist den vier Studierenden jetzt auch geläufig.

Das Interesse für Speis und Trank wurde mir eigentlich schon in die Wiege gelegt. Und diese stand in Falls Church in Virginia. Born in the USA, wie Bruce Springsteen vor zig Jahren trällerte, gilt auch für mich. Meine Eltern waren nämlich Gastarbeiter in den USA. Mit der Green Card geschätzt, erwünscht und auch willkommen. Nach ihrer Lehre in Österreich zogen beide hinaus in die Welt, um Erfahrung zu sammeln – ein Credo in der Gastronomie, damals wie heute. Meine Eltern arbeiteten auch auf Kreuzfahrtschiffen und sahen so die ganze Welt.

Sie hatten Zwischenstopps in Indien, Bali, Japan, Brasilien und noch einigen Ländern mehr, zu einer Zeit, da Massentourismus dort noch unbekannt war. Diese Eindrücke spiegelten sich auch Jahre später in unserer Wohnung wider. Die Offenheit für die verschiedenen Kulturen unserer Welt war bei uns daheim immer gegenwärtig. Wenn Spielkameraden aus der Volksschule zu mir nach Hause kamen, glaubten diese, sich in einem Völkerkundemuseum wiederzufinden. Meine Mutter arbeitete auch mehrere Jahre als Köchin bei einer jüdischen Millionärsfamilie in New York. Gefillte Fisch und Mazza-Brot waren mir daher keine unbekannten Speisen. Mein Vater war u. a. Sommelier im Watergate Hotel. Ja, genau dort, wo sich der Abhörskandal von Richard Nixon zutrug. Auch Henry Kissinger, der Mann mit der tiefen Stimme – sofern ihn noch jemand kennt –, war Gast bei meinem Vater und immer sehr zuvorkommend und höflich. Wer ein Fan von Ivan Rebroff ist – auch dieser dinierte bevorzugt im Watergate Hotel-Restaurant, wenn er in Washington weilte, und bestellte immer einen Château Lafite-Rothschild 1962. Den teuersten Wein im gesamten Weinkeller. Ich war auch schon einmal im Pentagon. Als Passagier im Bauch meiner Mutter, als sie Apfelstrudel dorthin ausgeliefert hat.

Irgendwann im Kleinkindalter, und ohne eigene Erinnerung daran zu haben, ging es dann zurück nach Österreich. Der Anlass war eher traurig: Mein Großvater war an Krebs erkrankt und meine Mutter wechselte sich mit meiner Großmutter bei der Pflege ab. In jungen Jahren war mein Opa Johann Bierbrauer und Nebenerwerbslandwirt. Mein Onkel Hansi war Braumeister und Jahrzehnte später braute ich mit den Burschen vom Braucampus Graz, Gunter und René, mein erstes Bier im Geschmackslabor. Mit 16 Jahren durfte ich mehrere Wochen als Ferialpraktikant im Tagesweinkeller des Drei-Sterne-Restaurants meines Nenn-Onkels Heinz arbeiten. Eine beeindruckende Erfahrung, aber auch ein Grund, warum die Gastronomie nicht meine Berufung wurde. Diese gehört zu den anspruchsvollsten, stressigsten und familienfeindlichsten Berufsfeldern und es wundert mich nicht, dass heute Jugendliche nicht mehr in dieser Branche arbeiten wollen. Von der relativ geringen Bezahlung gar nicht zu sprechen. „Darum, liebe Brüder, tut desto mehr Fleiß, eure Berufung und Erwählung festzumachen; denn wo ihr solches tut, werdet ihr nicht straucheln.“ (2 Petrus 1,10).

Das Zitat aus der Bibel wird mancher Leser bzw. manch aufmerksame Leserin erkannt haben und sich fragen, ist der Autor gar ein fleißiger Beter? Das kann ich gleich verneinen, obwohl meine Tante Minnerl aus der schönen Oststeiermark mich immer überzeugen wollte, doch Pfarrer zu werden, weil ich ihrer Ansicht nach so gut reden kann und der geistliche Beruf doch eine sichere Partie wäre. Leider kamen Wein, Weib und Gesang sowie die Evolutionslehre, alte Geschichte und Philosophie dazwischen. Aber Zitate aus der Bibel finde ich gut, da sie vieles auf den Punkt bringen und leicht zu verstehen sind.

Wie kam es also zu meiner Berufswahl – Molekularbiologe mit Schwerpunkt Ernährung? Klingt doch etwas exotisch. In der AHS-Unterstufe war mein Lieblingsfach Geschichte. Daher auch der frühe Wunsch, Geschichte zu studieren. In der AHS-Oberstufe wurde der Bezug zu Geld und Ausgaben realer, da jeder verfügbare Schilling in Heavy-Metal-Alben investiert wurde. Hier kam ich zur Erkenntnis, dass Geschichte doch ein brotloses Studium sein dürfte. Da ich damals auch technisch sowie elektronisch sehr interessiert war: warum nicht technische Physik studieren? Ein frommer Wunsch, denn da wusste ich noch nicht, dass das Physikstudium zu einem Großteil aus Mathematik besteht. Und wer mit Mathematik auf dem Kriegsfuß stand, so wie ich damals, bei dem wäre eine solche Studienwahl fatal ausgegangen.

Warum mir die Mathematik nicht am Herzen lag, daran war mein Lehrer schuld. Acht Jahre unbedingt in der Mathematikhölle hatte ich ausgefasst. Aus fachdidaktischer Sicht war der Herr Prof. H. H. nicht die Lichtgestalt im Zahlenuniversum, das daher den meisten Kolleginnen und Kollegen aus der Klasse ein ewiges Rätsel blieb. Wie kann man sich den Herrn vorstellen? Von der Tonart wie Gunnary Sergeant Hartman aus dem Film Full Metal Jacket, immer mit Krawatte und Sakko sowie silbergrauem Haupthaar. Für die Mathematik-Matura habe ich einige Monate gelernt, mehr als für die schwersten Prüfungen im Studium der Mikrobiologie. Und dieses Studium zählt zu den anspruchsvollsten unseres Landes. Da ist das Geschichtestudium im Vergleich eine kleine Vorspeise und, ja, ich kann das sagen, weil ich berufsbegleitend auch ein Geschichtestudium begonnen habe. Wenn ich im jetzigen Berufsleben oft stressige Termine vor mir habe, träume ich hin und wieder von der bevorstehenden Mathematik-Matura. Falls Psychotherapeuten und -innen dies hier jetzt lesen, kommt sicher ein Aufschrei. Der Mann braucht Hilfe, um ein Trauma zu verarbeiten! Ich halte es eher so: „Wie man Eisen durch Eisen schleift, so schleift ein Mensch den Charakter eines anderen“ (Sprüche 27,17). Rückblickend bin ich auf meinen Mathe-Lehrer nicht böse. Didaktisch hat er versagt, mich dadurch aber abgehärtet und im Studium hatte ich nie Probleme vor oder mit Prüfungen.

Es gibt aber auch positive Beispiele aus dieser Oberstufenzeit, wie meine Biologielehrerin Prof. Waltraud Stracke. Diese hat die Zellbiologie und Genetik so interessant vermittelt, dass ich für die Matura fast nichts lehren musste, da ich schon im Unterricht alles aufgesaugt hatte wie ein Schwamm. Was war dann der ausschlaggebende Grund für meine Wahl, Mikrobiologie zu studieren? Eine Fernsehserie, nämlich Akte X. Die ungelösten Fälle des FBI. Dort wurde ein Alien-Embryo in einem mikrobiologischen Labor untersucht. Eine Epiphanie sondergleichen. Daher meine Wahl, Mikrobiologie in Graz zu studieren, und diese Entscheidung war die richtige, auch wenn nicht an Alien-Embryonen geforscht wurde.

Während des Studiums lernte ich von meiner Mutter die Grundlagen der Kochkunst. Irgendwie fiel mir das Kochen sehr leicht, da ich auch im mikrobiologischen Labor immer genau Substanzen abmessen, erhitzen oder abkühlen musste. Für Freunde habe ich dann einmal im Jahr die „Schlemmerstunden“ veranstaltet: ein achtgängiges Menü, das sich über Stunden zog. Alle Gänge wurden von mir allein zubereitet. Hier habe ich für mich viel über Speisenabfolgen, Zutatenmanagement und Servier- bzw. Küchenlogistik gelernt.

2007 habe ich im Rahmen meiner „Schlemmerstunden“ erstmals molekularen Kaviar serviert. Die Freude war groß bei den Anwesenden und ich hatte auf einmal drei Küchenhelferinnen, die eifrig Kaviar aus Campari produzierten. Das chemische Prinzip dahinter war recht einfach und daher habe ich meinem damaligen Kollegen Helmut Jungwirth einen Floh ins Ohr gesetzt bzw. eine Kaviarvariation auf seinem Schreibtisch deponiert. Er war ebenso begeistert wie meine Gäste und daher haben wir den Kaviar bei der langen Nacht der Forschung an der Uni Graz präsentiert. Unsere Station mit Molekularer Küche verzeichnete über 3000 Besucherinnen in knappen acht Stunden. Die „Speisung der 3000“,...