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Wie schön du bist (Leidenschaft in Kalifornien)

Wie schön du bist (Leidenschaft in Kalifornien)

Bella Andre

 

Verlag Oak Press, LLC, 2022

ISBN 9781950351831 , 200 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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Wie schön du bist (Leidenschaft in Kalifornien)


 

KAPITEL 1


Endlich würde die Welt heute Abend Abschied nehmen von Carrie Anderson, City-Girl und Single, und Carrie Anderson, die himmelhochjauchzende Verlobte eines attraktiven, wohlhabenden Mannes, willkommen heißen.

Seit ihr Freund James Carrigan sie zum Abendessen ins Farallon, das eleganteste Restaurant von San Francisco, eingeladen hatte, blickte Carrie immer wieder verstohlen lächelnd auf ihre unberingte linke Hand. Sie hätte ihr gesamtes Bankkonto darauf verwetten können, dass ab diesem Donnerstagabend ein funkelnder Diamant ihren linken Ringfinger beschweren würde.

Das Farallon war nämlich der ganz besondere Ort der beiden. Hier hatten sie bei ihrem ersten Date zu Abend gegessen. Dann noch einmal an dem Abend vor ihrem ersten Mal und ein weiteres Mal an ihrem ersten Jahrestag.

Bisher war das Abendessen köstlich gewesen. Allerdings hatte sie, um ehrlich zu sein, vom Geschmack der Butternusskürbissuppe nicht viel mitbekommen und den gegrillten Lachs auf Polenta kaum heruntergekriegt. Mit jedem Augenblick, der verging, schnürte sich ihr der Magen enger zusammen. Und als der Kellner sie fragte, ob sie die Dessertkarte sehen wolle, hätte sie ihm beinahe den Kopf abgerissen.

Nein, ich will keinen Nachtisch, dachte sie. Ich will einen Verlobungsring!

Endlich räumte der Kellner die Teller ab und brachte ihnen zwei Cognacschwenker mit vorgewärmtem B&B. Carrie war noch nie ein großer Fan dieses starken After-Dinner-Cocktails gewesen, aber da es James‘ Lieblingsgetränk war, nippte sie tapfer daran. Er brannte auf der Zunge und im Hals, aber das war ihr egal, denn endlich griff James in seine Tasche, hoffentlich nach einem Ring …

Gleich würde ihr ganz persönlicher Märchenprinz vor ihr niederknien und sie bitten, seine Frau zu werden! Sie hatte die Szene mindestens hundertmal durchgespielt. Ihre Augen würden sich mit Tränen füllen, wenn er die Box von Tiffany‘s öffnete, und ihre Hände würden leicht zittern, während er ihr den Verlobungsring an den Finger steckte. Sie würde „Ja“ flüstern und dann würden sie sich unter dem Beifall der anderen Restaurantgäste leidenschaftlich küssen.

Aber James machte sich nicht die Mühe, niederzuknien. Stattdessen stellte er die geöffnete Ringschachtel einfach auf das Tischset vor ihr und sagte: „Es ist endlich an der Zeit, dass du die nächste Mrs Carrigan wirst.“

Carrie verschlug es vor Enttäuschung den Atem und die Sprache.

Sie war sich bewusst, dass sie James eigentlich mit einem kleinen Freudenschrei ihre Hand hätte reichen sollen, damit er ihr gleichzeitig mit ihrem „Ja“ den Ring anstecken konnte. Angestrengt versuchte Carrie, ihren Frust über diesen unromantischen Antrag hinunterzuschlucken.

Sie bemühte sich verzweifelt, das eine Wort über die Lippen zu bringen, das ihr in der Hautevolee von San Francisco die Stellung einer frisch gekrönte Prinzessin bescheren würde. Sie presste die Zunge gegen ihre Backenzähne und öffnete den Mund. Sie würde es schaffen, sie würde das Wort über die Lippen bringen. „Ja“, das war schließlich bloß eine Silbe. Sogar ihre einjährige Nichte konnte es sagen.

Doch alles, was sie mit der letzten Luft aus ihrer Lunge hervorstoßen konnte war: „J…ähhm n…“

Was war nur heute Abend mit ihr los? Natürlich würde sie James heiraten und mit ihm bis ans Ende ihrer Tage glücklich sein. Sie würden 2,4 Kinder bekommen und hinter dem ferngesteuerten, schmiedeeisernen Tor eines großen Landhauses in einem wohlhabenden Vorort von Palo Alto leben. Sie würde ein teures Elektroauto mit Kindersitzen auf dem Rücksitz fahren und ihre Kleinen im Sommer zum Schwimmunterricht und im Herbst zur Klavierstunde kutschieren. Jeden Samstag würden sie mit ihrer Clique Tennis spielen, auf dem Strandgrundstück der Familie auf Hawaii überwintern und sich zweimal im Jahr von Onkel John die Zähne polieren lassen. Sie würden das perfekte Leben führen, mit perfekten Kindern und einer perfekten Ehe.

Vor so viel Perfektion wurde Carrie ganz schwindlig. Ihr war übel.

So ein perfektes Leben hatte sie sich doch immer gewünscht. Oder etwa nicht?

Ihr ziemlich verkorkstes „Ja“ hatte James offensichtlich genügt. Er griff nach ihrer feuchten Hand und steckte ihr den riesigen kanariengelben Quadratschliff-Diamantring an den Ringfinger. Als dieser im Kerzenlicht funkelte, kam es Carrie jedoch fast so vor, als würde der große Juwel sie verhöhnen und ihr zu verstehen geben, dass sie in seine Welt der High-Society-Galas und Benefiz­veranstaltungen, wo grauhaarige Großindustrielle ihre frisch importierten und silikonisierten Zweitfrauen vorführten, niemals passen würde. Sicher, in den letzten zwei Jahren hatte sie gelernt, ihre Rolle perfekt zu spielen. Sie ging zum richtigen Friseur, ließ sich bei Neiman‘s von der richtigen Personal Shopperin beraten und machte die richtigen geistreichen Bemerkungen zum richtigen Zeitpunkt.

Aber würde sie ein ganzes Leben lang immer alles richtig machen können? Und wollte sie das überhaupt?

James‘ Stimme unterbrach sie in ihren Überlegungen. „Als ich diesen Ring sah, wusste ich sofort, dass er dir perfekt stehen würde, Carolyn. Und ich hatte Recht.“

Sein unausgesprochenes „wie immer“ hing zwischen ihnen in der Luft.

Carrie blickte von dem blendend prachtvollen Schmuckstück auf. James sah besser aus als jeder andere Mann, den sie kannte, und erst recht als ihre früheren Freunde. Schade nur, dass Heiratsanträge für einen tollen Hecht wie ihn, nach seinem selbstgefälligen Grinsen zu urteilen, nur eine Formalität zu sein schienen.

Und warum musste er sie eigentlich immer Carolyn nennen, obwohl er wusste, dass ihr Carrie viel lieber war? Sie hatte seine förmliche Art immer charmant gefunden, aber jetzt fragte sie sich, ob es für ihn nur eine Methode war, um aus ihr das zu machen, was seiner Vorstellung von Perfektion entsprach. Damit sie die perfekte Ergänzung zu seinem bereits perfekten Leben wäre.

Theoretisch war James der wahrgewordene Märchenprinz. Mit seinem unglaublichen Vermögen und dem MBA-Abschluss aus Harvard, abgerundet durch seine klassische Attraktivität – blond und blaue Augen – stand er auf jeder Rangliste begehrenswerter Junggesellen ganz oben. Carrie war Landschaftsarchi­tektin und einer ihrer Kunden hatte sie einander vorgestellt. Sie war völlig verblüfft und sehr erfreut gewesen, als James sie um ein Wiedersehen bat. Bei ihrem zweiten Date hatte er ein Streichquartett der San Francisco Symphoniker engagiert, das ihr mit Tschaikowskis Ouvertüre zu Romeo und Julia ein Ständchen brachte. Zwei Jahre lang hatte er sie mit Geschenken und Reisen nach Paris überhäuft.

Und dennoch … es fehlte etwas. Keiner ihrer anderen Liebhaber hatte sie im Bett wie ein Porzellanpüppchen behandelt. Zuerst hatte sie sich geehrt gefühlt, als James darauf bestanden hatte, es langsam anzugehen. Aber als Wochen zu Monaten wurden, konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, ob mit ihr etwas nicht stimmte, ob sie nicht sexy genug war, um ihrem Freund wilde Leidenschaft zu entlocken.

Heute Abend hatte sie das Gefühl, zum ersten Mal den wahren James zu erblicken. Obwohl sie noch nicht eingewilligt hatte, ihn zu heiraten, war die Sache für ihn bereits abgehakt.

Ring, abgehakt. Verlobte ist überwältigt von der Größe des Diamanten, abgehakt. Jetzt musste er nur noch ein paar Details klären.

„Natürlich machen wir die Trauung in der Grace Cathedral. Mama wird das für uns mit dem Pfarrer klären. Sie stehen sich ziemlich nahe, weißt du. Dann Empfang im Olympic Club. Und dann …“

„James“, sagte Carrie und versuchte, den Zug aufzuhalten, bevor er zu viel Fahrt aufnahm und gegen eine Backsteinmauer prallte. Und sie beide platt machen würde.

„Die Carrigans haben ihre Flitterwochen schon immer auf Bora-Bora verbracht. Natürlich kannst du einen Monat am Strand verbringen, während ich Golf spiele.“

Carrie räusperte sich und versuchte, ihre Nerven in den Griff zu bekommen. Es war einfach zu peinlich. Irgendwie, auf irgendeine Art musste sie eine Szene vermeiden.

„James“, setzte sie erneut an, „vielleicht sollten wir das bei dir besprechen …“

Aber James hatte schon sein Handy aufgeklappt und wählte die Kurzwahlnummer seiner lieben Mama. „Dreimal darfst du raten, welches attraktive Pärchen von San Francisco jetzt mit einem zweihunderttausend Dollar teuren Diamanten am Finger noch attraktiver ist?“

Agnes‘ spitzes Kreischen drang durch den Hörer, und etwas in Carrie zersprang in zwei Stücke. Jeden Morgen bis an ihr Lebensende an der Seite eines super-attraktiven Mannes aufzuwachen, der ihr nicht wirklich zuhörte, war eine Sache – aber die Vorstellung, zweiundfünfzig Mal pro Jahr mit seiner Mutter den Sonntagsbrunch zelebrieren zu müssen (ganz zu schweigen von den unzähligen Familientreffen und Partys), war einfach grauenhaft.

Sie konnte es nicht länger vermeiden, der schrecklichen Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Sie liebte James eigentlich doch nicht. Sie konnte ihn nicht heiraten. Den Vier-Karat-Ring würde sie ihm zurückgeben müssen.

Und damit – einfach so – ging die märchenhafte Liebesgeschichte, an die sie sich so verzweifelt geklammert hatte, in die Brüche.

„Nein!“, rief sie und riss sich den schönen Ring vom Finger.

Also, sie hätte ihn sich vom Finger reißen sollen, aber sie konnte nicht. Es war zu schön. Stattdessen zog sie ihn langsam ab und kämpfte bei dem Gedanken, freiwillig auf diese Schönheit zu verzichten, mit den Tränen. Auch wenn es das Richtige war. Was konnte sie...