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Psychologie Heute 10/2021 - Zeit finden

Psychologie Heute 10/2021 - Zeit finden

Psychologie Heute Redaktion

 

Verlag Beltz - Psychologie heute, 2021

ISBN E102103401677 , 108 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

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Psychologie Heute 10/2021 - Zeit finden


 

Am Sonntagvormittag stand nichts an. Bruno Hildenbrand verschwand nicht wie viele andere Professoren seiner Generation um 10 Uhr morgens in seinem Arbeitszimmer, um am nächsten wissenschaftlichen Artikel zu feilen.

Sondern er saß mit seiner Frau und den zwei Söhnen zusammen bei einem langen Frühstück. „Und dann hat man genau gemerkt, dass die Jungs nichts Besseres im Sinn hatten, als thematischen Unfug aufzubringen: Was man unbedingt mal tun müsste. Oder was wir unbedingt mal kaufen sollten“, erzählt Hildenbrand. „Nach und nach ist mir aufgefallen, dass vieles davon nicht ernst gemeint war. Man musste sich die Zeit nehmen für die Diskussion, und wenn die Zeit gewährt worden war, dann haben sich die meisten Themen wieder in Luft aufgelöst.“ Nicht der Inhalt des Gesprächs war wichtig, sondern die gemeinsame Zeit, die keinem produktiven Zweck diente und keinen Terminvorgaben unterlag, in der Dinge gedacht und verworfen wurden.

Bruno Hildenbrand ist Soziologe und er hat sich unter anderem damit beschäftigt, wie Familien Zeitoasen sein können in einer Gesellschaft, die sich immer stärker beschleunigt. Seine These: Auch wenn viele Abläufe in der Spätmoderne immer schneller werden, werden nicht alle Lebensbereiche davon komplett erfasst. Andere, ältere Zeitstrukturen bleiben gleichzeitig bestehen: Die Familie ist auf Dauer angelegt. Sie ist nicht auf ein Ziel ausgerichtet, sondern das Ziel ist in ihr selbst vorgegeben, nämlich eine Familie zu sein. Viele ihrer Handlungen sind nicht linear wachsend wie in der Wirtschaft, sondern zyklisch – regelmäßige Mahlzeiten, wiederkehrende Festtage, die Geburt der nächsten Generation. „Daher können Familien Reservate ausbilden und Grenzen ziehen gegen das Diktat der Beschleunigung“, sagt Hildenbrand. Familien hätten die Chance, „Freischärler ihrer eigenen Zeit“ zu sein.

Aber wie kann das konkret aussehen, frage ich ihn. Er gibt mir einige Beispiele: „Frühkindliche Bildung heißt nicht, eine zweite Fremdsprache zu vermitteln, sondern Zeiten der Muße einzuräumen“, sagt er. Der Kindergeburtstag müsse nicht in der Achterbahn des Freizeitparks verbracht werden und der erste Urlaubstag nicht auf der Autobahn. Zumal vieles davon Geld koste, das die Eltern wieder unter hohem Zeiteinsatz verdienen müssten. Aber auch der Wissenschaftler gibt zu: Die Grenzverteidigung der Familien-Zeit-Oase, sie ist kein einfaches Unterfangen.

Wie wir mit unserer wertvollen Ressource Zeit umgehen, darüber lohnt es sich nachzudenken. Wir haben der Frage unsere Titelgeschichte gewidmet, in ihr schreibt die Sozialpsychologin Ashley Whillans über Zeitkonfettitage und unsere Angst vor dem Nichtstun (ab Seite 12).

Und es ist mir eine außerordentliche Freude, Ihnen unseren neuen Kolumnisten vorzustellen: Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Andreas Maier wird künftig jeden Monat in Psychologie Heute „Das Blaue vom Himmel“ beschreiben (Seite 80). Andreas Maier sagt, er neige ins Zeitlose und suche „den Anlass des Übels nicht mehr in anderen als in sich selbst“. Herzlich willkommen bei Psychologie Heute, Herr Maier! Wir sind stolz und glücklich.