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Urkraft des Mondes - Naturrituale für ein Leben voller Hingabe

Urkraft des Mondes - Naturrituale für ein Leben voller Hingabe

Jennie Appel

 

Verlag Arkana, 2022

ISBN 9783958835795 , 250 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Urkraft des Mondes - Naturrituale für ein Leben voller Hingabe


 

EINLEITUNG


Es war an einem Abend, als die Wolken wie lange Schleier über den Himmel wehten und hier und dort in orange-gelb-roten Flammen aufzugehen schienen, während es an anderen Stellen zartrosa und heimelig wirkte …

Zart und wild und verwunschen zugleich. Was in all dem bin ich?

So wanderte ich der langsam hereinbrechenden Nacht entgegen und fand meinen Platz zwischen Holunderbüschen und knorrigen Süntelbuchen, die schwarz zu glänzen schienen, inmitten der immergrünen Wiese mit ihren violetten Blüten und Moosteppichen. Um mich ganz zu finden, legte ich mich mit nacktem Bauch auf diesen uralten Untergrund aus Flechten, Moosen und Pflanzen, die immerzu vor Lebenskraft strotzen, und vergrub auch mein Gesicht darin. Ich wollte tief mit der Erde und mir selbst verbunden sein und mich wieder ganz und gar spüren. So lag ich eine ganze Weile.

Langsam wurde es heller in mir und auch um mich herum, denn der Mond ging auf und berührte alles mit seinem silbrigen Licht. Auch die Blätter glänzten silbrig und das Moos schien ein Muster zu tragen. Auf meinem Hinterkopf spürte ich ein sanftes Streicheln. Als ich den Kopf etwas anhob, blickte sie mich zwischen den Zweigen der Süntelbuchen an, dem verwunschenen Tor, das diese Bäume mit ihrem wilden Wuchs bildeten. Ihr rundes Gesicht strahlte mich liebevoll an.

„Du hast Zuflucht bei deiner Mutter gesucht und vergessen, dass ich einmal eins mit ihr war. Ich war leibhaftig Teil der Mutter Erde und bin daher auch Teil von dir. Doch etwas hat dazu geführt, dass ich mich entfernte, um besser nach dir sehen zu können. Seither wache ich nachts an deinem Bett und helfe dir, deine Träume zu verweben. Ich bin da und halte dich, wenn du unruhig oder traurig bist. Wie alle Großmütter nehme ich mir die Zeit, um dich zu wiegen, dir ein Schlaflied zu singen, dir in der Dunkelheit Mut und Zuversicht zu schenken, dir sanft übers Haar zu streicheln, wenn du döst oder dir resigniert die Decke über den Kopf ziehen magst. Ich habe die Kraft, Ozeane zu bewegen, und so bewege ich dich mit Leichtigkeit. Großvater Sonne steht jeden Morgen auf, ist tatkräftig am Werk, egal wie die Stimmungen des Wetters sind, und hört nie auf zu strahlen, bis er abends schlafen geht. Ich bin darin beständig, immer für dich da zu sein – was es auch sei, das dich bewegt. Doch in allem anderen bin ich flexibel, vielschichtig und voller Talente und mag dir gern aus all dieser Fülle die Wandelkraft schenken. Mancher mag denken, ich habe Launen und seltsame Phasen, doch ich bin ganz einfach all das – alles zu seiner eigenen Zeit. Nur so können wir die komplizierten Muster des Lebens weben und all unsere Träume mit hineinknüpfen. All das Weben ist ein Tanz der Wandlung. Mal lässt du den Faden locker, mal knüpfst du ihn fest, mal flechtest du Stränge zusammen, mal löst du Verstrickungen wieder auf. Nun sag, in welcher Kraft bist du heute? Welche Träume werden wir heute Nacht ins Leben weben?“

Ich hatte in den Armen von Mutter Erde Zuflucht vor dem Lärm der Welt gesucht und mich dankbar an sie gekuschelt. Dabei habe ich in die Arme von Großmutter Mond gefunden, die mich wiegte wie ein Neugeborenes und mir dabei all die alten Geschichten erzählte – von der Beständigkeit des Großvaters, der all die Launen akzeptierte, die sie auslebte, und dabei auch noch jederzeit warmherzig strahlte. Sie drückte mich an sich und erinnerte mich dabei an die Bärengöttin, die Urmutter, die alles weiß über das wilde, nackte, pure, sinnliche, rohe Leben. Einst war es die Bärenmutter gewesen, die mit ihrer vollen Urkraft in alle Frauen schlüpfte, um sie von innen heraus an alles zu erinnern, was wirklich nährend ist. Und schließlich erzählte sie mir auch von der Großen Mutter und all ihren Kindern, die sich verrannt hatten in den irdischen Labyrinthen aus Verpflichtungen, unerfüllten Wünschen, fremden Zielen und Konstrukten – statt ihre eigenen Gänge zu bauen, ihre eigenen Muster zu weben, ihre eigenen Träume zum Leben zu erwecken.

Großmutter Mond wiegte mich hin und her und versicherte mir, dass jedes Hin und Her meines Weges genauso wichtig für mich sei wie ihr Wiegen, das mich entspannte, tröstete und ermutigte. Sie zeigte mir, dass ich mich selbst liebevoll wiegen kann, wenn ich all mein Hin und Her umarme, und dass ich mich wohlfühlen kann in dieser Pendelbewegung, wenn ich alles als Teil meines Weges und Wesens akzeptiere.

Während sie mich wiegte und zu mir sprach, begann ein Summen in meinem Herzen und erfüllte mich bis in den Gebärmutterraum. Dieses Summen bekam eine ureigene Schwingung und bewegte sich in meinem Inneren, wurde Melodie, drängte nach oben in meine Kehle und schließlich hinaus. Ich öffnete meinen Mund und sang aus voller Kehle, vollem Herzen und der Tiefe meiner Gebärmutter das Lied meiner Seele.

Ich sang mich durch die Bewegungen meiner Seele, und während des Singens verstand mein ganzer Körper zutiefst und verankerte diese Weisheit in sich. Das Lied meiner Seele hat viele Strophen. Manche ähneln einem summenden Singsang, der beruhigend dahinplätschert, andere gleichen einem entspannenden Wiegenlied, doch es gibt auch jene Klänge, die archaisch tönen, und solche, die wie Hymnen voller Emphase sind …

Großmutter Mond wandte sich lächelnd an mich: „Nun weißt du es. Ich werde immer an deiner Seite sein und mit dir genau den Teil deines Liedes singen, der sich gerade jetzt in dir regt. Das ist meine Aufgabe. Und wenn es gebraucht wird, bringe ich die ganze Familie zusammen, damit sie alle dich unterstützen. Denn das tun wir Großmütter, wir halten alles zusammen.“ Sie umarmte mich noch einmal mit ihrem samtenen Licht und verschwand dann hinter dem Holunder.

Sie hatte sich mir als die Stammesmutter zu erkennen gegeben, die sie wahrhaftig ist. Sie hält die Fäden in der Hand und strickt mit ihnen weise. Sie hat ihre Abmachungen mit Großvater Sonne und ergänzt seine tatkräftige Beständigkeit mit ihrer Wandelkraft. Sie ist für ihre Kinder da, allen voran Mutter Erde – von der wir nicht wüssten, wie sie aussieht und ob oder wie Leben und Vegetation auf ihr möglich ist, wenn die Großmutter nicht wäre. Und in den herausforderndsten Zeiten kann sie Zuflucht bieten und immer mit genau der Energie unterstützen, die ihre Enkel gerade benötigen: entspannendes Wiegenlied und begeistertes Cheerleading, gutes Zureden, um mutig zu wachsen, und sanftes Trösten, um loszulassen. In ihr ist alles lebendig. Und mit ihr in tiefster Verbundenheit zu leben – in einer Verbundenheit, die weit über Bücher und Mondwissen oder passende Konsumgüter der heutigen Zeit hinausgeht –, bedeutet, dass auch ich in dieser tiefen Verbundenheit mit all diesem Lebendigen bin. Jede Phase wird mich dann zur richtigen Zeit erreichen, und bis dahin werde ich lernen, die Wellen zu surfen …

Ich bin keine Astrologin, die mit umfassendem Wissen zu den Tierkreiszeichen, Häusern und Planeten beeindrucken könnte, ich bin auch keine Astronomin oder gar Archäoastronomin oder (Astro-)Physikerin, die dir ihr geballtes Expertenwissen über die Gestirne weiterreicht. Warum schreibe ich also dieses Buch über die Urkraft des Mondes?

Seit vielen Jahren gehe ich den Weg der Erfahrungsmedizin, wie ich ein schamanisch und naturspirituell geprägtes Leben nenne. In meiner Jugend habe ich all mein Taschengeld in Bücher über altes Wissen gesteckt und mich dann immer weiter mit mythologischen wie psychologischen Themen beschäftigt, die mich faszinieren. Im Laufe der Zeit habe ich an unzähligen Seminaren und Ausbildungen in diesem Kontext teilgenommen. Ich habe gelesen, gelernt, vertieft, gelitten, geweint, gelacht, alleinige Visionssuchen an beängstigenden Orten bzw. in herausfordernden Umständen unternommen, heilige Kreise genossen und transformierende Initiationen … doch wirklich aufgegangen sind all diese Samen erst, als ich sie in den fruchtbaren Nährboden meines täglichen Lebens pflanzte, sie wahrhaft wässerte, versorgte und auch das „Unkraut“ jätete, das in all dem immer wieder auch seinen Weg in mein Lebensbeet fand. Mitunter habe ich auch meine Pflanze sorgsam ausgegraben und an einen anderen Standort gebracht. Es kostete unendlich viel Mut und war mit der Sorge verbunden, sie würde dort eingehen (wonach es eine lange Zeit auch aussah). Doch mit der immer innigeren Hinwendung zur Urweisheit der Natur streckten sich die Wurzeln tiefer ins Erdreich und die Äste tanzten mit dem Wind im Himmel, während der Stamm beständig wuchs. Die Äste fanden ihre Wege zum Licht, die Rinde wurde widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse und die Säfte pulsierten lebendig im Inneren. Aus den Wunden bildeten sich Baumperlen und ließen mich immer mehr den Reichtum meines Lebens erkennen.

Ich kann meine Entwicklung und damit auch meinen Zugang zum Thema des Buches am besten mit diesem Naturgleichnis beschreiben, obwohl wohl die wenigsten von uns als...