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Auf Augenhöhe - Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind - Ein Plädoyer

Auf Augenhöhe - Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind - Ein Plädoyer

Ulrich Eggers, Daniela Mailänder

 

Verlag SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag, 2022

ISBN 9783417270334 , 304 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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Auf Augenhöhe - Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind - Ein Plädoyer


 

»Ganz schön gut – für ein Mädchen?!«


KATHARINA HAUBOLD


Katharina Haubold (Jg. 1986) arbeitet als Projektreferentin für Fresh X an der CVJM-Hochschule in Kassel und beim Fresh X-Netzwerk e. V. Da Ballsport für sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, hat sie das Stand-Up-Paddling und Radfahren für sich entdeckt. Im Unterwegssein und in der Begegnung entdeckt sie Gott zurzeit am meisten. Sie möchte dazu beitragen, dass Frauen nach ihr weniger den Eindruck haben, in der Männerwelt nur mitspielen zu dürfen, sondern spürbar ist: Als Geliebte Gottes gestalten sie sein Reich auf Augenhöhe mit.

Meistens war ich das einzige Mädchen, das auf der Wiese hinter der Straße oder auf dem Bolzplatz mitkickte. Die Jungs aus der Nachbarschaft trafen sich dort und ich war so froh, dass sie mich mitspielen ließen. Seit ich denken kann, haben mich Ballsportarten fasziniert. Egal ob an der Bande beim lokalen Fußballverein, wenn ich meinen Papa zum Hand- oder Wasserballspiel begleitete oder noch besser: wenn ich selbst aktiv spielen konnte, sei es in der Freizeit oder als ich endlich in den Verein durfte – ich liebte es. So spielte ich als einziges Mädchen in der F-Jugend der Fußballmannschaft; später beim Volleyball und Basketball waren es dann Mädchenteams.

Doch neben den Vereinszeiten blieb es dasselbe: Ob weiter auf den Bolzplätzen oder öffentlichen Basketballcourts – fast immer war ich das einzige oder eines von wenigen Mädchen, das beim »Wählen« in die Teams mit im Kreis stand und darauf wartete, dass sein Name fiel. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass ich als letzte gewählt wurde – und wenn doch mal mehrere Mädchen mitspielten, kam etwas mehr Spannung auf: Welchem würden die Team-Anführer den Vorzug geben? Aber es war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass der »schlechteste Junge« gewählt sein musste, bevor es eine Option wurde, das »beste Mädchen« ins Team zu holen – manches Mal unter Johlen des anderen Teams: »Haha, ihr habt das Mädchen!«

So war das eben und ich wusste, dass, wenn dieser Prozess erst einmal durchgestanden war, der Überraschungsmoment auf meiner Seite lag. Denn ich hatte das große Glück, dass ich Ballsportarten nicht nur mochte, sondern mir auch ein gewisses Talent in die Wiege gelegt worden war. Meist dauerte es nicht lange, bis die anderen die Häme zu spüren bekamen, wenn eine Aktion gelang: »Haha, du hast dich von einem Mädchen ausdribbeln lassen!« Und früher oder später fiel staunend und anerkennend der Satz: »Wow, du bist ganz schön gut – für ein Mädchen!«

Ich vermute, dass dies das Kompliment ist, das ich am häufigsten in meinem Leben gehört habe: »Ganz schön gut – für ein Mädchen« – oder zumindest das Kompliment, das mich tiefsten geprägt hat. Jedenfalls habe ich es immer als Kompliment aufgefasst. In einer Welt, in der klar war, dass die Jungs die Macht darüber hatten, zu entscheiden, ob ich mitspielen darf oder nicht, wo klar war, dass sie den Maßstab setzten und häufig auch wirklich besser spielten als ich, da war klar: Für ein Mädchen ganz schön gut zu sein, ist quasi die höchste Auszeichnung, die ich bekommen kann. Fast so, als wäre ich eben mit schwierigeren Startvoraussetzungen ausgestattet worden und müsste dieses Defizit nun so gut es geht kompensieren. Und es erfüllte mich mit Zufriedenheit und Stolz, wann immer ich den Eindruck hatte, dass mir das gut gelang. Das Urteil darüber stand natürlich den Jungs zu.

Ich will nicht verschweigen, dass das auch manche Vorteile hatte: Auch wenn ich immer das Gefühl hatte, mich besonders beweisen zu müssen, lag die Messlatte bei mir natürlich nie so hoch wie bei den Jungen. Um »für ein Mädchen ganz schön gut zu sein«, reicht eben auch eine mittelmäßige Leistung. Und wenn von einer erwartet wird, nichts zustande zu bringen, spielt es sich in gewisser Weise auch freier und unbekümmerter, als wenn man hohen Erwartungen entsprechen muss. Und so war mir das »ganz schön gut – für ein Mädchen« eigentlich fast immer sicher, vor allem da, wo Jungs mitspielten, die mich noch nicht kannten.

Gleichzeitig bin ich zu einer Zeit und in einem Umfeld groß geworden, in dem ich selten bis nie den Eindruck hatte, als Mädchen benachteiligt zu sein. Im Gegenteil: Mit dem Abitur war ich der festen Überzeugung, dass meine Chancen genauso gut wie die der Jungs und Männer waren, wenn ich nur die entsprechende Leistung und Qualität bringe. In der Schule wurde uns kommuniziert, dass uns als Frauen alle Möglichkeiten offenstehen, dass Studieren und Arbeiten und eine Familie zu gründen sich nicht ausschließen, dass es einzig und allein auf das persönliche Vermögen, den Willen und entsprechenden Einsatz ankommt.

Auch in meiner christlichen Jugendgruppe erinnere ich mich an kein Erleben, das mir als Frau weniger oder grundsätzlich andere Chancen ermöglicht hat. Es mag sein, dass es implizite Rollenbilder gab, die uns prägten, doch insgesamt erinnere ich mich nicht an theologische oder gesellschaftliche Festschreibungen, die ich als einschränkend empfand. Prägung und Leitung erlebte ich von Frauen und Männern gleichermaßen positiv (wie negativ) und der Fokus lag viel stärker auf der Entwicklung von persönlichen Gaben als auf dem Hineindrängen in bestimmte Rollenbilder.

Dieses Erleben zog sich auch durch meine theologische Ausbildung. Natürlich wurde mir irgendwann klar, dass es durchaus andere Hintergründe und Frömmigkeiten gibt. Und auch ich fand mich in Diskussionen darüber wieder, ob Frauen lehren und leiten dürfen, und habe mir manch offensichtlich diskriminierenden Kommentar anhören müssen. Aber alles in allem bewegte ich mich in Kreisen, wo dieses Thema »durch« war. Wo ich wusste, dass es in der Vergangenheit harte Kämpfe und Diskussionen gegeben hatte, doch wo mittlerweile theologisch vertreten wurde, dass Mann und Frau gleichwertig und sogar gleichberechtigt sind, dass das (binär-gedachte – das war schon klar) Geschlecht nicht mit mehr oder weniger Möglichkeiten in Ehren- und Hauptamt verbunden war und dass es prinzipiell für mich als Frau keine Einschränkungen gab. Im Gegenteil – schien mir. Man war sich mittlerweile so bewusst darüber, dass man gegen eine über Jahrhunderte gepflegte Schieflage angehen musste, dass Frauen an vielen Stellen händeringend gesucht wurden.

Die meisten Gremien, Konferenzen und hauptamtlichen Teams, die ich in den letzten Jahren wahrgenommen habe, waren von Männern dominiert. Egal, ob es um die reine Zahl ging oder um Posten wie »erster Vorsitzender«, »leitender Referent«, »Keynote-Speaker«, »Generalsekretär«, »Workshop-Referent« – ich hatte den Eindruck, in eine vor allem von Männern geprägte Welt einzutauchen und befand mich in Gremien und Teams als Frau häufig in der deutlichen Unterzahl. Aufgrund meiner Anstellung im deutschlandweiten Reisedienst, meiner familiären Ungebundenheit und meines Engagements im evangelistischen und missionalen (Jugend-)Bereich kam ich von den äußeren Kriterien her für manches Gremium und manche Veranstaltung infrage, und da ich die Vernetzung und überregionale Zusammenarbeit sehr schätze, habe ich mich gerne an unterschiedlichen Stellen eingebracht und tue es immer noch.

Ich gewöhnte mich daran, dass manche Anfrage sinngemäß mit dem Satz begann »Wir suchen dringend noch eine Frau und da sind wir auf dich/Sie gekommen.« Auch erlebte ich Diskussionen, in denen immer wieder bemängelt wurde, dass so wenig Frauen da sind, man sich doch wirklich bemüht habe und so viele abgesagt hätten und ich nahm es in gewisser Weise als Gegebenheit hin, dass das in diesen Gremien und bei diesen Veranstaltungen eben so ist. Das hatte schließlich auch erklärbare Gründe: Es schien weniger Frauen in überregionalen Stellen zu geben, sodass es für einige rein von der Stellenkonstellation gar nicht möglich war, bestimmte Ämter zu übernehmen. Wenn der Faktor Familiengründung hinzutrat, kamen Mutterschutz und Elternzeit hinzu und danach häufig ein sehr gutes Überlegen, ob und wie überregionale Ämter und Familie sich gut vereinbaren ließen.

Es schien also in meiner Wahrnehmung fast so etwas wie eine »natürliche Auslese« zu geben, die dazu führte, dass diejenigen mit den entsprechenden Lebensentwürfen »übrig blieben«. So war es nicht verwunderlich, dass ich bei Veranstaltungen und in Gremien immer wieder auf dieselben (wenigen) anderen Frauen traf. Manchmal fühlte es sich sogar wie ein Vorteil an, eine Frau in dieser männerdominierten Welt zu sein – schließlich war die Notwendigkeit Frauen einzubinden, am besten junge Frauen, groß, die »Auswahl« an Frauen aber nicht.

Ich bin gefördert worden und habe viele Chancen bekommen, mich einzubringen und weiterzuentwickeln. Mir ist Vertrauen entgegengebracht worden und ich fühle mich sehr wertgeschätzt. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber hätte ich all das in den letzten Jahren erleben können, wenn ich keine Frau wäre? Ich weiß es nicht. Und glaube es auch nicht. Zumindest sitzt dieses Gefühl sehr tief. Ein bisschen wie damals auf dem Bolzplatz: »Du darfst bei den Männern mitspielen« – aufgrund deiner Lebensumstände und weil du für eine Frau gar nicht schlecht bist.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das hat in dieser Form niemals jemand explizit kommuniziert und ich glaube auch nicht, dass das jemals die Intention oder die Ansicht von denjenigen war, die Anfragen mit »Wir suchen noch eine Frau und da bist du uns eingefallen« beginnen. Aber das in mir ausgelöste Gefühl war und ist das gleiche: »Es ist ein Riesenkompliment, dass ich als Frau hier mit dabei sein darf« (und ein Riesenglück bzw. zum Teil eine...