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Psychologie Heute 11/2021 - Egoisten

Psychologie Heute 11/2021 - Egoisten

Psychologie Heute Redaktion

 

Verlag Beltz - Psychologie heute, 2021

ISBN E112103401677 , 108 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

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Psychologie Heute 11/2021 - Egoisten


 

Am Abend bedrängt uns einer auf der Autobahn: rast mit 240 km/h heran, fährt auf, blinkt, hupt. Am nächsten Morgen kräht eine Kundin hinter uns in der Bäckereischlange: „Ich krieg das letzte Dinkelbrot, bitte für mich reservieren!“ Und schließlich, im Büro angekommen, hat sich ein anderes Team im von uns gebuchten Konferenzraum breitgemacht und ist nicht bereit zu gehen. Nach einer solchen Serie an Erlebnissen sind viele von uns überzeugt: Es gibt immer mehr Egoistinnen und Egoisten um uns herum – und psychologische Studien scheinen diesen Eindruck zu bestätigen (siehe unsere Titelgeschichte ab Seite 12).

Wie können wir verhindern, dass Egoistinnen und Egoisten das kooperative Verhalten anderer Menschen ausnützen, ohne eine Gegenleistung zu erbringen? Diese Frage habe ich Gerhard Schurz gestellt. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Philosophie an der Universität Düsseldorf und hat sich dem Thema aus evolutionärer und spieltheoretischer Perspektive genähert. „In Jäger- und Sammlergesellschaften war es üblich, dass erfolgreiche Jäger etwas von ihrer Jagdbeute abgaben“, erzählt Schurz. „So bauten sie eine gute Reputation auf und hatten dadurch wesentlich bessere Heiratschancen.“

Unser Ansehen ist auch heute noch ein wirksamer Mechanismus gegen egoistisches Verhalten: Wenn ich nie den Schnee vor meinem Haus wegschippe, werden mich meine Nachbarinnen irgendwann schief anschauen – und nicht mehr meine Blumen gießen, wenn ich in Urlaub bin. „Die Voraussetzung dafür, dass Reputation egoistisches Verhalten reguliert, ist aber, dass man sich persönlich kennt“, sagt Schurz. Das funktioniert in der Studentinnengruppe, im Sportverein, in der Dorfgemeinschaft – aber nicht auf der Ebene der anonymen Großgesellschaft.

Deswegen regulieren moderne Staaten unkooperatives Verhalten mithilfe von Sanktionen: Wer keine Steuern bezahlt, wer schwarzfährt oder sein Auto in die Feuerwehreinfahrt stellt, dem droht eine Strafe. Allerdings stoßen diese Sanktionssysteme an Grenzen, erklärt mir Gerhard Schurz. Die eine Grenze: Man kann nur sanktionieren, was man auch kontrollieren kann, und Kontrollen sind aufwendig. Die andere Grenze: die individuellen Grundfreiheiten in einem Rechtsstaat.

Der Philosophieprofessor gibt mir ein Beispiel: Wenn ein junger Mensch breitbeinig in der U-Bahn sitzen bleibt, während neben ihm ein alter Mann stehen muss – will man das wirklich unter Strafe stellen? Und falls ja: Wer überprüft das? Leider greift in diesem Fall auch die Reputation nicht, denn „den älteren Herrn oder die Mitreisenden sieht der junge Mann im Zweifel ja nie wieder“.

Was also tun in solchen Fällen? „Belohnungen sind wichtig“, sagt Schurz. „Und role models spielen eine große Rolle, um Kooperation zu erzeugen“, sagt Schurz. „Wenn das Idol des jungen Mannes – ein Rapper, eine Sportlerin – dafür werben würde, älteren Menschen seinen Platz anzubieten, dann wäre das eine starke Motivation.“

Seit dem Gespräch mit Gerhard Schurz schaue ich bei egoistischem Verhalten genauer hin und überlege: Welcher Mechanismus würde wohl hier am besten greifen? Interessante Einsichten wünscht auch Ihnen
Dorothea Siegle, Chefredakteurin