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LongCovid - Die neue Volkskrankheit

LongCovid - Die neue Volkskrankheit

Jördis Frommhold

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2022

ISBN 9783406783579 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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10,99 EUR

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LongCovid - Die neue Volkskrankheit


 

Epidemiologische Einordnung


Grundbegriffe richtig verstehen


COVID-19 hat in kürzester Zeit sogar unsere Medienwelt verändert. Mit Beginn der Pandemie wurde in Funk und Fernsehen, in Zeitungen und in allen digitalen Medien nicht mehr nur über politische Themen wie Krieg, Umweltkatastrophen oder gesellschaftliche und kulturelle Höhe- und Tiefpunkte berichtet. Nein, seit März und spätestens seit April 2020 hielt eine ganz neue Begrifflichkeit Einzug in die Nachrichten – Wörter, mit denen kaum einer vertraut war, machten die Runde. Die Verwendung dieser Fachtermini war längst nicht immer ganz zutreffend – und auch wenn sich das gebessert hat, ist es unverzichtbar, dass wir uns von Anfang an über jene Begriffe und ihre Bedeutung im Klaren sein müssen, die in diesem Buch eine Rolle spielen werden: von Inzidenz über Prävalenz bis Kompetenz. Wobei Letztere möglicherweise doch auf einem ganz anderen Blatt steht …

Das medizinische Studienfach der Epidemiologie beschäftigt sich mit der Erfassung von gesundheitlichen Störungen und Schäden, die im Rahmen einer bestimmten Erkrankung ein Volk oder die ganze Menschheit betreffen. Es geht also in diesem Fall, anders als bei den Fachgebieten der klinischen Medizin – dazu gehören beispielsweise die Innere Medizin, die Chirurgie oder Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde –, nicht um die Betrachtung oder Behandlung eines Individuums, sondern um das große Ganze. Die Epidemiologie ist zudem eine Wissenschaft, die auf eine längere Beobachtung von gesundheitlichen Folgen einer Erkrankung angelegt ist. Sie dient dem Ziel, mögliche Faktoren bei einer Erkrankung herauszufiltern, die einen günstigen Einfluss auf deren weiteren Verlauf für den Einzelnen und für die Allgemeinheit haben können. Im Zuge dessen sollen Ursachen für eine Krankheit benannt, aber auch Therapie- und Präventionsmöglichkeiten abgeleitet werden.

Die Epidemiologie ist ein theoretisches Fachgebiet der Medizin und macht auch statistische Verfahren erforderlich, um zum Beispiel Vorhersagen treffen oder Hochrechnungen vornehmen zu können. Wer Epidemiologie betreibt, betrachtet jedoch nicht nur Infektionskrankheiten, sondern jede Art von Krankheit. Einen großen Bereich nehmen zum Beispiel die epidemiologischen Beobachtungen bei onkologischen Krankheiten – also Krebserkrankungen – ein. Dabei ist es auf lange Sicht gleichermaßen erstrebenswert und zielführend, wenn protektive (schützende) Faktoren gefunden werden, die den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Die Erkenntnisse aus beobachtenden oder experimentellen Studien im Rahmen der Epidemiologie sind entscheidend für die Weiterentwicklung der allgemeinen Gesundheitsförderung. So sollte klar sein, dass sich die Epidemiologie nicht nur allein mit Epidemien oder Pandemien beschäftigt, sondern viel weiterreichende Einsatzmöglichkeiten bietet.

Bei der Epidemie, früher auch als «Seuche» bezeichnet, kommt es zu einem zeitlich und örtlich begrenzten Ausbruch einer Erkrankung in einer Population – das kann beispielsweise die Bevölkerung eines Dorfs, einer Stadt, eines Landes oder auch etwa nur eines Seniorenheims sein. Solch ein Ausbruch bedeutet, dass die Anzahl der Neuerkrankungen rasch zunimmt. Die Maßeinheit für die Stärke des Ausbruchs ist die Inzidenz. Wenn Erkrankungshäufigkeiten weniger werden, spricht man von Regression. Der Begriff Prävalenz gibt hingegen keine Veränderung im Bereich der Zahl der Neuerkrankungen einer Gesellschaft an, sondern beschreibt, wie viele Menschen aktuell diese bestimmte Erkrankung aufweisen.

Im Falle von Corona, genauer gesagt von SARS-CoV-2, haben wir es aber nicht mehr mit einer Epidemie, sondern mit einer Pandemie zu tun. Ist das Kennzeichen einer Epidemie die zeitliche und vor allem örtliche Begrenzung der Ausbreitung einer Krankheit, so hat sich SARS-CoV-2 weltweit mit unterschiedlichsten Mutationen ausgebreitet. Das besondere Merkmal einer Pandemie ist folglich die Ausbreitung einer Erkrankung über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. Wollte man die Welt als ein globales Dorf (global village) begreifen, so könnte man auch von einer internationalen oder globalen Epidemie sprechen. Aber der präzise Begriff ist: «Pandemie». Letzterer trifft leider auf unsere aktuelle Situation zu, und daher wird korrekt von der «SARS-CoV-2-Pandemie» gesprochen.

Ein weiterer Terminus ist die Endemie. Dieses Wort bedeutet, dass eine bestimmte Erkrankung in einer Gesellschaft dauerhaft vorkommt, aber die Neuerkrankungen nicht mehr zunehmen, sondern auf einem Level verharren.

Noch einmal kurz zusammengefasst: Epidemie und Pandemie beschreiben die räumlich begrenzte bzw. entgrenzte Ausbreitung einer Erkrankung. Inzidenz und Regression sind hingegen Marker für die Krankheitsaktivität, beschreiben also das zahlenmäßige Verhalten des Infektionsgeschehens – den Stand bzw. die Ab- und Zunahme der Zahl von Neuinfektionen.

Volkskrankheit SARS-CoV-2


Krankheiten, die durch Coronaviren ausgelöst werden, sind uns schon seit Jahrzehnten in vielfältigsten Formen bekannt. 1960 wurde erstmals bei einem Menschen ein Coronavirus entdeckt. Es ist verantwortlich für eine Infektion, die zu typischen, aber relativ blanden (milden) Erkältungserscheinungen wie Husten, Halsschmerzen und Schnupfen führen.

Was ist nun an diesem neuartigen Coronavirus – SARS-CoV-2 – so besonders, mit dem wir es in der aktuellen Pandemie zu tun haben, und warum gehen damit so dramatische Veränderungen einher? SARS-CoV-2 bedeutet im Englischen «severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2», was auf Deutsch «Schweres akutes, die Atmung betreffendes Syndrom – Coronavirus Typ 2» heißt. Bereits durch die Einzelbestandteile dieser Bezeichnung wird deutlich, dass es sich bei den Symptomen, die durch SARS-CoV-2 ausgelöst werden können, um weit bedrohlichere Phänomene handelt als bei einem banalen Schnupfen.

Erstmals nachgewiesen wurde dieses Virus Ende 2019 in der Region Wuhan in China. Von dort aus hat es sich anschließend ungebremst und ubiquitär – d.h. über die ganze Welt – ausgebreitet. Der erste Nachweis dieses Virus in Deutschland erfolgte am 27. Januar 2020. Bereits am 30. Januar 2020 sprach die WHO (Weltgesundheitsorganisation) von einer «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite». Am 11. März 2020 galt SARS-CoV-2 offiziell als Pandemie, da sich die Seuche weltweit ausgebreitet hatte. Der erste Lockdown für Deutschland wie auch für viele andere Länder folgte unmittelbar auf die Einstufung der Infektion als Pandemie und die Ausrufung des pandemischen Zustands durch die WHO. Den Wenigsten war zu diesem Zeitpunkt klar, welche weitreichenden und einschneidenden Veränderungen die Pandemie mit sich bringen würde. Zum aktuellen Zeitpunkt der Veröffentlichung zählen wir in Deutschland rund 12 Millionen Infizierte und annähernd 120.000 Verstorbene, die auf das Konto von Corona gehen.

Auf den Begriff Genesene, der sonst zwangsläufig ebenfalls in dieser Trias verwendet wird, soll ganz bewusst an anderer Stelle eingegangen werden, da für viele an COVID-19 Erkrankte und vermeintlich Genesene ein wirklicher Status «Genesen» vielleicht nie Realität werden wird.

Von der Johns Hopkins University (USA) wird – jetzt im Januar, da ich dieses Buch schreibe – die Zahl der bislang weltweit aufgetretenen Fälle mit mehr als 400 Millionen angegeben, von denen über 5,7 Millionen verstorben sind. Das Ranking der einzelnen Länder wechselt ständig; zum aktuellen Zeitpunkt liegen die USA im internationalen Vergleich mit über 65 Millionen Fällen vor Indien (über 37 Mio.) und Brasilien (über 22 Mio.). Deutschland steht momentan an Platz 10 hinter Italien und Spanien. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich diese Zahlen lediglich auf Menschen beziehen, die sich akut infiziert hatten oder haben. Jene, die auch noch über Monate nach der Akutinfektion mit Spätfolgen zu kämpfen haben, finden in den aktuellen Statistiken leider noch keinen eigenen Platz, obwohl viele von ihnen nicht (mehr) leistungs-, geschweige denn arbeitsfähig sind.

Der Pandemieverlauf seit der Einordnung von Corona als weltumspannende Seuche gestaltet sich wellenförmig – an- und abschwellend. Beeinflusst wird die Pandemieentwicklung durch ganz unterschiedliche Mutationen des Virus, aber auch durch die...