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Mind your Glücksschwein - Mit der Kraft positiver Erwartungen das Leben verändern

Mind your Glücksschwein - Mit der Kraft positiver Erwartungen das Leben verändern

Rebecca Böhme

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2022

ISBN 9783406783210 , 215 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet freigegeben

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Mind your Glücksschwein - Mit der Kraft positiver Erwartungen das Leben verändern


 

Ein paar Vorbemerkungen


Will das Gehirn die Schokolade essen und ist das Selbst eine Illusion?


Manche Menschen bezeichnen sich als Glückspilze, andere sind überzeugt davon, dass sie als Pechvögel durchs Leben gehen müssen. Wir wünschen einander Glück, wir tragen einen Talisman mit uns herum und haben unzählige Symbole, die Glück bringen oder auch Pech bedeuten. Viele dieser Symbole und Verhaltensweisen sind so normal und häufig, dass jeder sie kennt, zum Beispiel vierblättrige Kleeblätter, Glücksschweine und Schornsteinfeger, oder wenn wir auf Holz klopfen, um ein Unglück abzuwehren. Viele Menschen hegen und pflegen persönliche Rituale, die ihnen Glück bringen oder Missgeschicke abwenden sollen. Doch wie und warum ist solcher Aberglauben überhaupt entstanden, welchen Zweck erfüllt er und warum behalten wir – aufgeklärte und vernünftige Personen, die wir sind – solche Rituale bei?

Erklärungen dafür finden wir möglicherweise, wenn wir uns näher ansehen, wie wir Menschen emotionale Ereignisse verarbeiten und wie das Gehirn Geschehnisse in unserer Umwelt vorhersagt und verarbeitet. Selbst wenn der Fokus hierbei häufig auf den neuronalen Vorgängen, also den Aktivitäten des Nervensystems liegen wird, ist es immer wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass das Gehirn nicht allein in den Weiten des Weltalls schwebt, sondern eines von vielen Organen ist, ein Teil eines größeren Ganzen, das uns als Person ausmacht. Man liest häufig, das Gehirn mache dies und das, würde sich für die Schokolade entscheiden und gegen den Sport – doch säße es isoliert in einem Glasbehälter, würde es sich gar nicht für Schokolade und Sport interessieren. Das Gehirn und seine Leistungen können nur im Gesamtzusammenhang verstanden werden, also im Zusammenspiel mit dem übrigen Körper – und im Verhältnis zur Lebenswirklichkeit. Dies gilt auch, wenn ich das Gehirn um der besseren Lesbarkeit willen personalisiere und zum Beispiel schreibe: «Das Gehirn versucht vorherzusagen, was als Nächstes passiert» oder «Das Gehirn möchte, dass wir die Schokolade essen». Natürlich möchte das Gehirn an sich gar nichts, nur wir als Individuen können etwas wollen.

Viele Neurowissenschaftler:innen vertreten die Ansicht, das Gehirn wäre der eigentliche Macher, der geheime Strippenzieher im Hintergrund, der eigene Ziele oder Wünsche hat und diese uns dann bloß als die unseren vorgaukelt. Dieses bedauerliche Missverständnis, dass unser Gehirn eine eigenständige Einheit mit geheimen Absichten sei, dem unser bewusstes Ich nur oben aufsitzt, führt zu dem Schluss, das Selbst sei eine Illusion und wir hätten keinen freien Willen. Wie kommt es zu diesem Missverständnis? Ambitionierte Forscher:innen, zu denen auch ich gehöre, möchten gerne die neurowissenschaftliche Basis ergründen von … ja, eigentlich von allem. Doch das setzt voraus, dass man etwas messen kann. Möchte man etwa sehen, was im Gehirn vor sich geht, wenn man einer Versuchsperson ein Muster aus waagerechten oder senkrechten Streifen präsentiert, ist das noch recht einfach. Es wird schon komplizierter, wenn man versucht, die Farbwahrnehmung zu messen (mehr dazu später). Richtig kompliziert wird es, wenn Forscher:innen sich komplexeren Emotionen und Konzepten zuwenden. Denn es fällt uns Menschen zwar sehr leicht, im Alltag die Bedeutung der Wörter «Liebe», «Sorge», «Bewusstsein» oder «Ich» zu verstehen, doch diese zu definieren und dann womöglich noch in einem Experiment greifbar, also messbar zu machen – ist das überhaupt möglich?

Bei einem so komplizierten Konzept wie dem Selbst genügt ein kurzer Seitenblick auf Philosophie und Psychologie, um zu sehen, dass wir uns nach wie vor nicht einig sind, wovon wir eigentlich sprechen. Die Neuroforschung sucht trotzdem nach der neurophysiologischen Entsprechung für abstrakte Konzepte wie «Selbst» oder «Liebe». Erfolgreich kann dieses Unterfangen nur unter der Voraussetzung sein, dass das Gehirn das Selbst irgendwie hervorbringt oder produziert. Das aber setzt wiederum voraus, dass dieses «Selbst» separat, vom Gesamtzusammenhang getrennt, erforscht werden kann. Und genau hier liegt das Missverständnis: Das Selbst lässt sich nicht quantifizieren und in physikalischen Einheiten messen. Das Selbst lässt sich nicht finden, indem man es immer mehr in seine Einzelteile zerlegt und versucht, diese im Gehirn zu lokalisieren. Denn das Selbst entsteht ja erst durch Synthese: durch die Zusammenführung von Wahrnehmungen, Empfindungen, Gedanken, mit Gefühlen, Erinnerungen, Hoffnungen, Sehnsüchten und vielem mehr. Das, was wir als «Selbst» bezeichnen, ist unsere Subjektivität, sind unsere eigenen, persönlichen Empfindungen und unser Bezugsmittelpunkt zur Lebenswelt. Das Selbst wird also nicht durch die Aktivität der Nervenzellen erschaffen, vielmehr ist das Selbst diese Aktivität. Es ist aber noch mehr: dazu gehören auch die Vorgänge in unserem Körper, das persönliche Erleben unserer Umgebung und das In-Beziehung-Treten mit unseren Mitmenschen. Das Selbst ist zeitlich und räumlich ausgedehnte Subjektivität.

Nicht jedes Konzept, für das wir Wörter haben, lässt sich wissenschaftlich quantifizieren und «physikalisieren». Wenn man dies versucht, entstehen leider Fehlschlüsse und Kategorienfehler, die schwerwiegende Folgen für unser Selbstverständnis als Menschen haben können. Besonders deutlich wird dies an der Behauptung, wir hätten keinen freien Willen, weil unsere neuronalen und biologischen Vorgänge uns steuern würden. Diese Behauptung impliziert, dass wir eine von diesen biologischen Vorgängen getrennte Einheit sind. Versteht man jedoch, dass wir, dass dieses «Selbst», das wir ja ganz deutlich in uns spüren, diese biologischen Vorgänge enthält, dann sollte klar werden, dass unsere Willensentscheidungen sehr wohl die unsrigen sind. Tatsächlich ermöglicht uns unser hochentwickeltes Nervensystem genau dies: freie Entscheidungen zu treffen, basierend auf Abwägen, Nachdenken, Innehalten.[1] Wir sind eben nicht wie simplere Lebensformen einfachen Reflexbögen ausgeliefert, die im Sinne von «Wenn … dann» funktionieren, sondern können (zumindest in den meisten Fällen) Entscheidungen treffen, und zwar auf der Basis unserer subjektiven Wahrnehmung und unserer Involviertheit in die Welt.

Die Vorgänge im Gehirn stehen in Zusammenhang mit Vorgängen in unserem Körper und natürlich auch in unserer Umgebung. So ist unsere Wahrnehmung von unserem Atemrhythmus und unserem Herzschlag abhängig,[2] so beeinflussen Millionen von Bakterien, die in unserem Darm und auf unserer Haut leben, wie es uns geht.[3] Und so ist die Vagusnerv-Verbindung von unserem Darm zum Hippocampus, der Gedächtnisregion im Gehirn, notwendig dafür, sich Neues merken zu können,[4] und vermag unsere Stimmung zu beeinflussen[5] – um nur einige Beispiele zu nennen.

Je mehr wir uns mit den Funktionsweisen des Gehirns beschäftigen, desto deutlicher wird, dass wir es eher als eine Art Umschlags- und Integrationsplatz für alle Ereignisse und Reize um uns herum und in uns drinnen ansehen sollten. Das Gehirn ist, wie der Psychiater und Philosoph Thomas Fuchs so treffend schreibt,[1] ein Beziehungsorgan: es vermittelt unseren Bezug zur Welt und zu unseren Mitlebewesen. Dabei ordnet es die Eindrücke, denen wir ausgesetzt sind – und wie es diese ordnet, hängt beispielsweise davon ab, ob wir uns selbst als einen Glückspilz oder einen Pechvogel sehen. Was das bedeutet und wie wir dieses Wissen für unser Wohlergehen nutzen können, davon handelt dieses Buch.

Was dieses Buch möchte – und was nicht


Noch eine Bemerkung vorab: Dieses Buch zu schreiben war ein Drahtseilakt. Ich will wissenschaftlich fundiert informieren, ohne falsche Hoffnungen zu vermitteln und ohne profitgierige Quacksalber:innen zu legitimieren. Gleichzeitig möchte ich unterhaltsam und lesbar schreiben, und das bedeutet auch, Forschungsergebnisse zu verallgemeinern und nicht seitenlang gegeneinander abzuwägen.

Bei der Interpretation von Forschungsergebnissen gilt immer zu bedenken, dass diese häufig korrelativ sind, nicht kausal, dass sie also Zusammenhänge aufzeigen, nicht zwangsläufig eindeutige Ursache-Wirkungs-Verhältnisse. Mit dem Verwechseln von Korrelation und Kausalität hat man in der Forschung häufig zu tun. Folgendes Beispiel veranschaulicht die Problematik gut: Daten besagen, dass das Einkommen der Menschen mit ihrer Schuhgröße zusammenhängt. Daraus könnte man nun schlussfolgern, dass Menschen, die auf großen Füßen leben, auch mehr Geld verdienen. Doch dies bedeutet nicht, dass eine große Schuhgröße ...