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Die Wunder der heiligen Jüngerinnen Maria Jakobea und Maria Salome

Die Wunder der heiligen Jüngerinnen Maria Jakobea und Maria Salome

Marie Johanne Croteau-Meurois

 

Verlag Verlag Die Silberschnur, 2022

ISBN 9783969339657 , 256 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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18,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die Wunder der heiligen Jüngerinnen Maria Jakobea und Maria Salome


 

1. Kapitel


Die Gemeinschaft der Überlebenden


Es war etwa das Jahr 40 unseres Zeitalters, und Jerusalem hatte gerade das vierte Paschafest gefeiert, nachdem Meister Jeshua gekreuzigt worden war. Vier Jahre schon … Vielleicht auch noch etwas mehr, ich weiß es nicht mehr genau.

Es kam mir vor, als würde die Zeit jetzt anders vergehen nach dem Schock, den dieses entsetzliche Ereignis und die darauffolgende Trennung in uns allen hinterlassen hatten.

Nachdem Er sich in dem Grab, das sein Onkel Joseph1 ihm zur Verfügung gestellt hatte, hatte regenerieren können und uns danach auch zwei- oder dreimal wiedergesehen hatte, herrschte sehr viel Unklarheit um die Person des Meisters. Wo würde Er nun leben? Was würde Er tun?

Manchmal hörte man dieses, dann jenes und oft genau das Gegenteil. Nur eines war sicher: Wir fühlten uns schrecklich verwaist. Gewiss nicht als Waisen des Wortes, das Er uns anvertraut hatte, sondern als Waisen seiner Gegenwart. Denn sie allein war so unendlich größer als die eines Menschen!

Ja, vier Jahre mussten wir nun wohl schon auf den Wegen Galiläas, Judäas und Samariens unterwegs sein, in der Hoffnung, nur ein wenig von dem auszusäen, was Er uns geschenkt hatte. Was sonst sollten wir mit unserem Leben anfangen?

Vier Jahre, in denen wir uns fast ständig versteckten und in Angst vor einer Festnahme lebten …

Die Römer begannen langsam, das Ausmaß des Windes der Freiheit zu begreifen, den Meister Jeshua entfacht hatte, und ihre Jagd auf die “Galiläer”, wie sie uns oft nannten, wurde immer erbitterter. Mit “wir” meine ich alle, die Ihm bis zur Erschöpfung auf Schritt und Tritt von Dorf zu Dorf gefolgt waren.

Ich weiß nicht, wie viele genau wir waren, ich habe nie nachgezählt. Aber wie hätte das auch gehen sollen? Manchmal kam es mir vor, dass wir nur wenige waren, dann wieder viele, wenn mir bewusst wurde, wie viele Herzen berührt worden waren und auch den Mut hatten, es zuzugeben.

“Shlomit”, fragten sie mich, “stimmt es, dass du Ihn kanntest und Ihn wirklich begleitet hast? Wie war Er zu dir? Und stimmt es, dass Er zwischen den Toden zurückgekehrt ist? Hast du es mit eigenen Augen gesehen? War Er der ‘Gesegnete’?”

Es war alles zu viel auf einmal … Mitunter wusste ich nicht genau, was ich sagen sollte und vor allem wie. Alle diese Fragen, diese mir zugewandten Gesichter machten mich schwindelig und schüchterten mich ein. Daher kam es oft vor, dass in diesen Momenten im stillen Winkel eines öffentlichen Platzes, im Schatten eines Olivenhains oder an einem Strand meine Seelenschwester Jakobea2 versuchte, Worte zu finden, die ihr in den Sinn kamen und die zu uns passten …

Jakobea redete laut, während ich wie ein kleines verletztes Tier Ruhe brauchte und mich unauffällig hinter ihrer Stärke verbarg, die es mir überhaupt erst ermöglichte, die Prüfung Seines Fortgangs zu bestehen.

Reflexartig senkte ich immer eilig meinen Schleier auf mein Gesicht und versuchte, einfach mit den Händen zu lieben und zu heilen. Das hatte Er mich ganz zu Anfang gelehrt, vor allem anderen … zu heilen und zu trösten.

Und so reihten sich Leidende von ich weiß nicht woher vor mir auf, und ich legte ihnen die Hände auf und ließ die heilende Welle ihr Werk tun.

Jakobeas melodische Stimme begleitete mich und beruhigte mich, aber noch viel mehr waren es Jeshuas Augen, die innerlich bei mir waren und mir zulächelten. Und dieses Lächeln, Sein Lächeln, gab mir die Kraft, den Atem der Heilung bis ins Unendliche derer zu verlängern, die man die anderen nennt.

Wenn meine Schwester und ich zusammen waren, wussten wir immer, wann “etwas” vor sich ging. Jeshua hatte immer von der flüchtigen Erscheinung einer Art Wolke gesprochen, die alle einhüllte, die liebten. Sicherlich war es das, was wir in solchen Momenten immer wieder erahnten und sogar wahrnahmen, sodass wir mitunter weinen mussten …

Anfangs waren wir in recht kleinen Gruppen von Dorf zu Dorf geirrt und hatten uns immer wieder zerstreut, um die Aufmerksamkeit der Römer nicht auf uns zu ziehen. Dennoch waren ganz allmählich Treffpunkte in Ställen und Fischerhütten entstanden.

Simon, der Sohn des Töpfers, war sehr emsig und präsent. Thaddäus, Thomas und Bathseba waren meist bei Jakobea und mir, um Kranke zu pflegen und zu den Suchenden von Dem zu sprechen, was wir empfangen hatten. Auch Meryem, die Mutter des Meisters, hatte ihre kleine Gruppe, die sich spontan aus Miriam, der Ehefrau ihres Sohnes, und ihrem Enkel Markus sowie Martha und manchmal Joseph gebildet hatte.

Oft flüchteten sie sich in eine kleine Fischerhütte in einer Talmulde nicht weit von Tiberias, wo so viele Römer waren, dass niemand darauf gekommen wäre, sie dort zu suchen.

Johannes war zwar immer in der Nähe von Meryem, suchte aber immer wieder auch den Kontakt zu Philippus und Bartholomäus. Simon-Petrus, sein Bruder Andreas und Levi3 wiederum hielten sich mehr abseits, als wären sie besonders vertraut miteinander …

Es gab also seelische Verbundenheiten, aber unsere kleinen Gruppen waren nicht in Stein gemeißelt, und oft trafen sich Miriam aus Migdel, Meryem und Joseph mit Simon, seiner Ehefrau, Jakobea und mir. Wir versammelten uns, übernachteten selten zwei- oder dreimal hintereinander am selben Ort und wanderten von einer Gruppe zur anderen. Manchmal wurden Behausungen vor uns verschlossen, wo man bisher immer gastfreundlich zu uns gewesen war, und man hieß uns aus Angst vor Repressalien nicht mehr willkommen. Doch zum Glück taten sich auch immer wieder andere Unterkünfte auf.

In dieser Zeit zeigten sich allen Erwartungen zum Trotz manche Zeloten sehr hilfsbereit, denn sie beherbergten uns und warnten uns sogar vor Orten, die wir besser meiden sollten.

“Allen Erwartungen zum Trotz”, weil schon das bloße Aussprechen ihres Namens und die Erwähnung ihrer Existenz eine Art unbewusstes Tabu für uns geworden waren.

Barabbas’ Befreiung hatte uns so zugesetzt, dass sie eine klaffende Wunde in uns hinterlassen hatte. Deshalb wagte niemand, von den Zeloten zu sprechen, wenn wir zusammen waren. Es war eine Art Scham, die Unfähigkeit, uns einzugestehen, dass wohl doch nicht alle von ihnen mordende Berserker waren.

Dennoch hatten viele von uns akzeptiert, dass einige Zeloten vom Wort und von der inneren Kraft des Meisters berührt worden waren.

Ja, wir fürchteten uns lange davor, das anzuerkennen, wahrscheinlich, weil wir dann das Gefühl gehabt hätten, Jeshua irgendwie verraten zu haben.

Aber irgendwann mussten wir uns der Tatsache stellen, dass immer mehr von ihnen, auch wenn sie sehr in der Minderheit waren, uns respektierten und versuchten, uns so gut es ging zu schützen, auch wenn manche verstanden hatten, wie sie Nutzen aus dem Einfluss ziehen konnten, den der Meister weiter durch uns ausübte.

Ich glaube, es war in dieser Zeit der allgemeinen Verwirrung, als immer mehr Römer begannen, auch sie “Galiläer” zu nennen. Das hatte zur Folge, dass wir nicht mehr wirklich wussten, wem wir vertrauen sollten, zumal sich einige Türen, die wir für wohlgesinnt gehalten hatten, plötzlich vor uns geschlossen hatten.

Immer war da die Angst, und einige hatten sogar das Gefühl, dass der Meister uns schlicht angelogen hatte. Warum sonst, fragten sie, war er wohl als einfacher Lestai4 ans Kreuz genagelt worden?

Trotz unserer eindringlichen Zeugenberichte glaubten sie überhaupt nicht an seine Regeneration und auch nicht an seine Wiederauferstehung, wie sie von einigen verbreitet wurde. Aus allen diesen Gründen beschlossen wir, nichts zu erzwingen. Denn war das schließlich überhaupt so wichtig?

Eines Tages in den frühen Morgenstunden, als ich gerade sorgfältig Kräuter pflückte, mit denen ich meine Salben herstellte, so gut es unter den Gegebenheiten eben ging, spürte ich plötzlich jemanden hinter mir. Ich wandte mich um.

Es war Zebedäus, mein Ehemann. Er stand dort, ein wenig vornübergebeugt, mit unruhigem Blick, flüsternd. Offenbar fürchtete er, gesehen und gehört zu werden.

Seit ich beschlossen hatte, sein Haus in Bethsaida zu verlassen, um durch das Land zu ziehen, hatte ich ihn ab und zu unter den Zuhörern gesehen, als der Meister noch unter uns geweilt und gelehrt hatte. Dann näherte er sich mir manchmal unauffällig, um mir etwas in die Hand zu drücken, damit ich mir Bedürfnisse erfüllen konnte, die ich nicht zugeben wollte – Wolle zum Weben, Leinen, um zwei oder drei Kleider zu reparieren, oder Schleier. Er hatte mich niemals im Stich gelassen, obwohl ich von ihm fortgegangen war. Ja, so war er …

Diesmal allerdings wusste ich sofort, dass er wegen...