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Der Siebenjährige Krieg - Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert

Der Siebenjährige Krieg - Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert

Marian Füssel

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2022

ISBN 9783406789236 , 130 Seiten

3. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,49 EUR

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Der Siebenjährige Krieg - Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert


 

II. Anfänge eines Krieges
Kampf um Schlesien, diplomatische Revolution und globale Interessenkonflikte


Wie die Frühe Neuzeit insgesamt, so war gerade auch das 18. Jahrhundert ein Zeitalter fortwährender Kriege. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und kaum auf einen einzigen Nenner zu bringen. Jenseits der klassischen Diplomatiegeschichte hat die Forschung mittlerweile jedoch auch die militärischen, ökonomischen, konfessionellen und politischen Strukturbedingungen der frühmodernen «Kriegsverdichtung» (J. Burkhardt) neu gewichtet. So war es angesichts universalistischer Ideen vom Führungsanspruch in einer hierarchisch gedachten Ordnung der europäischen Mächte ein langer Weg bis zu einem mehr oder weniger gleichberechtigten Nebeneinander der Staaten. Vor allem der Streit um die dynastische Erbfolge der Fürstenstaaten wurde immer wieder zu einem Kriegsgrund, der vielen Erbfolgekriegen wie den pfälzischen, spanischen, österreichischen oder bayerischen Konflikten den Namen gab. Seit der Reformation waren Religion und Konfession zu weiteren Faktoren der Eskalation geworden, die nicht nur in der interreligiösen Auseinandersetzung mit dem Islam, sondern auch in den Kriegen der europäischen Mächte ideologisch befördernd und legitimierend wirken konnten. Auch bestand ein Zusammenhang im Wachstum von Staats-, Finanz- und Militärverwaltung, sodass es zu beständigen Wechselwirkungen zwischen ‹Staatsverdichtung› und ‹Kriegsverdichtung› kam. Je mehr es den europäischen Staaten gelang, nach innen ein Gewaltmonopol durchzusetzen, desto mehr stieg auch die Fähigkeit, äußere Konflikte mit militärischer Gewalt auszutragen. So ließen sich die stehenden Heere ohne große Begründungsarbeit jederzeit für beliebige Zwecke der Kabinette einsetzen. Im Bereich der Ökonomie wirkte eine merkantilistische Wirtschaftsdoktrin kriegstreibend, da man das Wirtschaftssystem als eine Art Nullsummenspiel dachte: Eigenes wirtschaftliches Wachstum schien nur durch notfalls gewaltsame Umverteilung der Güter realisierbar. Auch der fiskalische Bereich wurde durch das Militärwesen eindeutig dominiert, diente doch der Krieg als wesentliches Legitimationsmittel zur Steueraufbringung. Für den modernen Beobachter besonders eigenartig mag schließlich die Rolle von Begriffen wie Ruhm und Ehre für die Entfesselung von Kriegen erscheinen. In der Gemeinschaft der europäischen Fürstenstaaten hatte das Ringen um Prestige allerdings eine kaum zu überschätzende Bedeutung. Siegreiche Schlachten und spektakuläre territoriale Eroberungen, wie sie Friedrich II. in dem von ihm als «Rendezvous des Ruhmes» titulierten Waffengang um Schlesien errang, folgten mithin ebenso einer höfischen Prestigelogik wie den Dynamiken eines internationalen Staatensystems.

Sieht man von der Frage der Erbfolge einmal ab, die hier nur insofern noch hineinwirkte, als sie Friedrich II. als Vorwand für die Annexion Schlesiens gedient hatte, spielten viele der genannten Faktoren auch im Siebenjährigen Krieg eine Rolle. So hat man den Konflikt etwa als einen verspäteten «Staatsbildungskrieg» (J. Burkhardt) beschrieben, denn nicht als ein Staatenkrieg sei der Siebenjährige Krieg zu interpretieren, in dem es nur um territoriale Umschichtungen ging, sondern als ein Kampf darum, Preußen überhaupt erst zu einem anerkannten Akteur im europäischen Mächtekonzert zu machen. Ein wesentlicher Motor erfolgreicher Staatsbildung war ebenso wie die Kriegführung auch hier das Steuerwesen. Staatsbildung, Kriegführung und Kriegsfinanzierung verschmolzen zu einer funktionalen Einheit, wie es sich insbesondere am Beispiel Preußens und Englands zeigt, die beide gewaltige Summen in den militärischen Sektor investierten. Schließlich wurde auch die Konfession als ideologische Ressource im Siebenjährigen Krieg mobilisiert. Die Konfrontation der katholischen Mächte Frankreich und Österreich mit der protestantisch-anglikanischen Koalition von England und Preußen stellte zwar allenfalls einen virtuellen Religionskrieg dar, der jedoch nichtsdestotrotz in der Öffentlichkeit wirksam inszeniert werden konnte. Und auch die alten Interpretationsmuster der europäischen Universalmonarchien sollten innerhalb der Auseinandersetzung über die Ausdehnung kolonialer Weltreiche nie vollständig verschwinden.

Um die 1755/56 einsetzende zwischenstaatliche Dynamik, die schließlich im Krieg mündete, angemessen zu überschauen, ist zunächst ein kurzer Rückblick notwendig. Im Frieden von Aachen war 1748 der österreichische Erbfolgekrieg beendet worden. Preußen erhielt damit die Bestätigung seiner Eroberung Schlesiens und der Grafschaft Glatz, und Frankreich mußte seine territorialen Zugewinne in den österreichischen Niederlanden und in Südwestindien zurückgeben. Der Aachener Friede hinterließ somit viele unzufriedene Akteure, vor allem in Frankreich und Österreich, und bildete daher keine besonders stabile Grundlage für einen dauerhaften Frieden. Auch die Frage, wie die neu in das europäische Mächtekonzert tretenden Akteure Preußen und Russland in das System der Staaten integriert werden sollten, blieb weiterhin offen. Mit Preußen und Österreich standen sich zwei Mächte gegenüber, die durch unterschiedliche Konfessionen, unterschiedliche staatliche Strukturen, unterschiedliche Schwerpunkte in der Außenpolitik sowie in Gestalt Maria Theresias und Friedrichs II. auch durch zwei recht unterschiedliche Herrscherpersönlichkeiten in einen immer schwerer zu überwindenden Dualismus innerhalb des Reiches und in Europa gerieten. Eine zentrale Rolle hierbei spielte der österreichische Staatskanzler Wenzel Graf Kaunitz-Rietberg als Architekt einer schon zeitgenössisch als «diplomatische Revolution» etikettierten außenpolitischen Neuorientierung. Bereits 1749 hatte Kaunitz in einer berühmt gewordenen Denkschrift die Agenda für das «démembrement» (Zergliederung) Preußens gesetzt. Erklärtes Ziel der habsburgischen Politik war es, Preußen auf seinen Status als Mittelmacht im Heiligen Römischen Reich zurückzustufen, nicht aber es total aufzulösen und zu entmachten. Die Habsburgermonarchie betrachtete das aufstrebende Preußen als eminente Gefahr für die europäische Mächtekonstellation und suchte das Bündnis mit ihrem historischen Dauerrivalen Frankreich ebenso wie mit dem sich zunehmend nach Westen orientierenden russischen Zarenreich. Ende der 1740er Jahre fand Kaunitz in Paris für seine Politik noch keine offenen Ohren; erst als England und Preußen 1756 aufeinander zugingen, fand sich Ludwig XV. bereit, auf die österreichischen Angebote einzugehen, die unter anderem auch Gebietsabtretungen in den österreichischen Niederlanden beinhalten sollten. Ähnlich explosiv gestaltete sich das Verhältnis der beiden «global player» Frankreich und Großbritannien, deren koloniale und kontinentaleuropäische Interessen kaum miteinander vereinbar waren. Obwohl noch keineswegs klar war, wie sich künftige Bündnisse gestalten sollten, schien ein erneuter Krieg Mitte der 1750er Jahre vielen nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Über die Gründe und Anlässe für den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges haben Generationen von Historikern debattiert. Die deutschsprachige Diskussion neigte dabei lange Zeit dazu, den Konflikt auf Europa bzw. noch enger auf den preußisch-österreichischen Dualismus zu reduzieren und damit die globale Verstrickung der Kriegsparteien weitgehend auszublenden. Ohne die britische Imperialpolitik und den zweiten «Hundertjährigen Krieg» zwischen England und Frankreich ist die unheilvolle Dynamik dieses Weltkriegs jedoch kaum nachzuvollziehen. Dass die globalen Wechselverhältnisse von den Zeitgenossen immer wieder wahrgenommen wurden, macht etwa eine kurze Schrift Friedrichs II. vom Juli 1757 mit dem Titel «Rechtfertigung meines politischen Verhaltens» deutlich, in der der Preußenkönig schreibt: «Jedermann weiß, dass die Wirren, die Europa aufwühlen, ihren Anfang in Amerika genommen haben, dass der zwischen Engländern und Franzosen ausgebrochene Streit um den Stockfischfang und um einige unbebaute Gebiete in Kanada den Anstoß zu dem blutigen Kriege gegeben hat, der unseren Erdteil in Trauer versetzt. Jener Krieg war von den Besitzungen der deutschen Fürsten so weit entfernt, dass sich schwer einsehen lässt, wie der Brand von einem Weltteile zu einem andern übergreifen konnte, der scheinbar gar keine Verbindungen mit ihm hat. Dank der Staatskunst unseres Jahrhunderts gibt es aber gegenwärtig keinen Streit in der Welt, so klein er auch sei, der nicht in kurzer Frist die gesamte Christenheit zu ergreifen und zu entzweien vermöchte.» Seine eigene Rolle reduziert der Preußenkönig damit gleichzeitig auf die eines rein Reagierenden.

Bereits auf der Ebene der Diplomatie sollte sich zeigen, wie die Rivalität in den Kolonien auf...