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Kleiner deutscher Familiennamenatlas - Entstehung, Gebrauch, Verbreitung und Bedeutung der Familiennamen

Kleiner deutscher Familiennamenatlas - Entstehung, Gebrauch, Verbreitung und Bedeutung der Familiennamen

Damaris Nübling, Konrad Kunze

 

Verlag Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2023

ISBN 9783110607413 , 745 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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49,95 EUR

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Kleiner deutscher Familiennamenatlas - Entstehung, Gebrauch, Verbreitung und Bedeutung der Familiennamen


 

1 Ein- und Anleitung


In den Jahren 2005 bis 2015 entstand der „Deutsche Familiennamenatlas: Sprach- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen des Familiennamenbestandes in Deutschland (DFA)“, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und durchgeführt in Kooperation zwischen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Konrad Kunze) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Damaris Nübling). Hierbei handelt es sich um den weltweit ersten Versuch, den Familiennamenbestand eines Landes in seiner statistischen Dimension und seiner räumlichen Struktur umfassend zu erheben, nach sprachgeschichtlichen und kulturhistorischen Kriterien zu systematisieren und anhand repräsentativer Beispiele in Form kommentierter Karten zu dokumentieren. Aus anfänglich vier geplanten Bänden wurden letztendlich sieben mit 2245 Karten (DFA 1–7, 2009–2018). Zusätzlich war von Anfang an als achter Band ein zusammenfassender Überblick über die streng fachwissenschaftlich ausgerichteten und mit umfangreichen Datenmengen befrachteten sieben Bände geplant, um die wichtigsten Resultate auch einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, da Familiennamen ja jeden „angehen“. Diesen Band legen wir hiermit als „Kleinen Deutschen Familiennamenatlas“ vor.

1.1 Der „große“ und der „kleine“ Familiennamenatlas


Der große Familiennamenatlas greift auf über 60.000 Familiennamen (FamN) zu. Diese wurden in sechs thematisch geordneten Bänden bearbeitet: Die Bände 1–3 enthalten grammatische und damit sprachwissenschaftlich orientierte Themen wie den Vokalismus (Müller/Möller), den Konsonantismus (Pfaffe/Paffe/Pape) und die Morphologie der FamN (Petersen/Peters/Peter), die Bände 4–6 lexikalische und damit außersprachlich, etwa kulturhistorisch oder anthropologisch orientierte Themen wie FamN nach Rufnamen (Jakobs), nach der Herkunft (Würzburger), nach der Wohnstätte (Bachmann), nach Berufen (Schlosser) oder nach persönlichen Merkmalen (Lang). Band 7 enthält das Register der behandelten FamN, eine Liste der 1000 häufigsten FamN und das Literaturverzeichnis.

Der große und der kleine Atlas gehen von unterschiedlichen Perspektiven aus. Ersterer dient, wie auch andere Sprachatlanten, z.B der Deutsche Wortatlas, der Aufdeckung und Dokumentation der FamN-Geographie, das heißt der arealen Dimension des FamN-Schatzes und ist damit ein Grundlagenwerk für künftige sprach- und kulturhistorische Forschungen. Der kleine Atlas dagegen nutzt diese Basis zur Illustration sprach- und kulturhistorischer Themen, beispielsweise der Entstehung, Schreibung und Verbreitung des Umlauts bei Krämer, Cremer gegenüber Kramer, oder der Herstellung bestimmter Backwaren wie Semmeln oder Mutscheln in verschiedenen Regionen, anhand entsprechender Namenkarten.

Zu diesem Zweck bündelt der kleine FamN-Atlas einerseits in den Kapiteln 5 und 6 die wichtigsten Themen des großen FamN-Atlas: Kapitel 5 greift die wichtigsten grammatisch-sprachhistorischen Phänomene von DFA, Band 1–3 auf und dokumentiert, welche Sprachwandelerscheinungen der letzten 1200 Jahre sich an den FamN ablesen lassen. Indem diese den gesprochenen Dialekten des Mittelalters entstammen, die in ihnen wie in Fossilien erhalten geblieben sind, öffnen sie ein Fenster zur historischen Dialektologie und zu Fragen wie der, warum wir heute zwei verschiedene Verkleinerungsformen haben, nämlich Vöglein und Vögelchen, oder warum die Berufsbezeichnungen Förster und Köhler heute einen Umlaut besitzen, Schlosser aber nicht. Kapitel 6 greift sodann Themen von Band 4–6 des DFA auf, indem es die fünf oben genannten Bereiche beleuchtet, aus denen alle FamN gewonnen wurden, nämlich Rufnamen, Herkunft, Wohnstätte, Beruf und persönliche Merkmale, wodurch sich Einblicke beispielsweise in mittelalterliche Nachbenennungspraktiken ergeben, in damalige Binnenmigration und Siedlungsformen, in das gesamte berufliche Spektrum sowie anhand der Übernamen in die Art der Charakterisierung und Klassifizierung von Menschen nach ihrem Körper, ihrem Charakter oder besonderen biografischen Ereignissen.

Der kleine FamN-Atlas geht aber andererseits auch weit über die Themen des großen FamN-Atlas hinaus: Kapitel 2 informiert über das Aufkommen, die Bildungsweise und die historische Entwicklung der FamN und über statistische Daten des heutigen FamN-Schatzes in Deutschland. Kapitel 3 behandelt Fragen der Namengrammatik und des Namengebrauchs wie z. B. die Entstehung und den Abbau weiblicher FamN-Bildungen (die Müllerin, die Meyersche), den Gebrauch des Artikels und unterschiedliche Namenabfolgen in Dialekten und Umgangssprachen (die Merkel, der Hofreiter Anton) oder die Namenwahl bei Heirat. Kapitel 4 gilt der Migrationsgeschichte, indem hier die wichtigsten Familiennamenkulturen der Nachbarsprachen vorgestellt werden, ihre Verbreitung in Deutschland und Eindeutschungsverfahren der fremdsprachlichen FamN sowie umgekehrt die Integration deutscher Namen im Ausland.

Kapitel 7 „Regionale Namenprofile“ geht ebenfalls über den großen DFA hinaus. Während dort der Schwerpunkt allgemein auf bundesweit sich manifestierenden Themen liegt, wird im vorliegenden Band der Blick auch speziell auf sieben kleinere Regionen vom Westoberdeutschen über das Nord- und Ostfriesische bis zum Ostniederdeutschen gerichtet, wodurch erstmals die eigenständigen und sehr unterschiedlichen Profile dieser Namenlandschaften mit oft nur kleinräumig auftretenden regionaltypischen Namennestern vor Augen treten.

Für die Abfassung einiger Beiträge konnten wir thematisch besonders ausgewiesene Wissenschaftler/innen gewinnen, einige von ihnen ehemalige Mitarbeiter/innen des Großen Familiennamen-Atlas. Ihr Name findet sich jeweils am Ende ihrer Beiträge.

1.2 Datengrundlage und Datenangabe


Die zugrundeliegende FamN-Datenbank basiert auf 28.205.713 privaten Telefon-Festnetzanschlüssen der BRD (Tokens) auf dem Stand vom 30. Juli 2005 mit 1.095.991 verschiedenen FamN (Types), davon 850.661 einfache Namen und 245.330 Bindestrich-Doppelnamen, oft Heiratsnamen. Die Anschlüsse wurden mit Hilfe des Bundesamtes für Datenschutz in anonymisierter Form (Name + Anzahl der Anschlüsse pro Postleitzahlbezirk (= PLZ)) für wissenschaftliche Zwecke von der Deutschen Telekom AG erworben und in der sog. Mainzer Familiennamendatenbank archiviert. Mit der Erstellung dieser Datenbank gelang es sozusagen im letzten Augenblick, ein unschätzbares Kulturerbe zu sichern, das sonst unwiederbringlich verloren wäre. Denn 2005 hatten noch 92 % aller Haushalte einen Festnetzanschluss beim Monopolisten Deutsche Telekom. Inzwischen ist ihre Zahl um weit über ein Drittel zugunsten anderer Telefonanbieter und nicht lokalisierbarer Mobiltelefone gesunken, sodass Projekte wie der Deutsche Familiennamenatlas, das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands oder der vorliegende Band nicht mehr in der nötigen Zuverlässigkeit möglich wären. Zugleich ist es ein Zeitpunkt, der in mancher Hinsicht das Ende einer u. a. durch die Vererbung der FamN in der patrilinearen Linie gekennzeichneten und weit über ein halbes Jahrtausend dauernden namengeschichtlich-demographischen Kontinuität markiert, die durch das jetzt geltende Namenrecht und neue Familienstrukturen zunehmend in Auflösung begriffen ist.

Auf einen Haushalt entfallen durchschnittlich 2,9 Personen; so sind die in diesem Atlas angegebenen Zahlen der Telef. mit 2,9 zu multiplizieren, um ungefähr die Zahl der Namenträger/innen zu errechnen.

Anhand eines vielseitig einsetzbaren Programms lassen sich alle erdenklichen Suchoptionen in der Datenbank vornehmen und die Ergebnisse in unterschiedlichen Kartierungsweisen abbilden, sei es zur Verbreitung von einzelnen oder mehreren Namen, ganzen Variantenspektren, auch von Namenteilen, Buchstabenkombinationen oder nur von Bindestrichen (zu diesen s. Abb. 50, Kap. 3.8).

Obwohl die Familiennamen 600–800 Jahre alt sind, ist ihre Verbreitung bis heute – trotz aller Bevölkerungsbewegungen – erstaunlich stabil geblieben. Besonders deutlich wird dies an der überraschenden Tatsache, dass sich viele Namenlandschaften scharf voneinander abgrenzen. So weisen die drei Varianten Schmi(e)d, Schmitt und Schmitz kaum Überschneidungszonen zueinander auf. Dies begründet sich mit dem Faktum, dass die Bevölkerung seither nur zu ca. 15 % mobil war, was umgekehrt zu einer Namenkontinuität von 85 % führt. Hätten die Namenträger in den letzten 500 Jahren große Distanzen überwunden, bestünden diese scharfen Grenzen nicht; die viel häufigeren Wanderungen vom Dorf in die nächste größere Stadt beeinträchtigen das Kartenbild insgesamt kaum.

In den Kartenlegenden und im Text bezeichnen die direkt hinter den Namen stehenden Zahlenangaben die Telef. der betreffenden FamN. Bei Ausschnittkarten beziehen sich die Zahlenangaben nicht auf den Ausschnitt, sondern stets auf ganz Deutschland. In manchen Zusammenhängen innerhalb des Textes schien eine solche Angabe nicht relevant; sie lässt sich gegebenenfalls jederzeit im Mainzer Akademieprojekt „Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands“ abrufen. In diesem Projekt werden alle FamN mit mehr als zehn Telefonanschlüssen kartiert und kommentiert, wozu auch die Angabe ihrer Häufigkeit gehört...