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Das Gesundheitssystem in Deutschland - Eine Einführung in Struktur und Funktionsweise

Das Gesundheitssystem in Deutschland - Eine Einführung in Struktur und Funktionsweise

Michael Simon

 

Verlag Hogrefe AG, 2021

ISBN 9783456961477 , 352 Seiten

7. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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32,99 EUR

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Das Gesundheitssystem in Deutschland - Eine Einführung in Struktur und Funktionsweise


 

5 Die ambulante ärztliche Versorgung

Die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung erfolgt in Deutschland weit überwiegend durch niedergelassene Ärzte und Zahnärzte. Sie sind in der Regel die erste Anlaufstelle für Patienten bei gesundheitlichen Problemen, führen Diagnostik und Therapie durch, verordnen Arznei-, Heil- und Hilfsmittel und weisen im Bedarfsfall zur weiteren Abklärung und Behandlung einer Erkrankung in ein Krankenhaus ein. Ambulante ärztliche Versorgung ist in Deutschland im Grunde gleichbedeutend mit ambulanter ärztlicher Versorgung von Krankenkassenpatienten, da ca. 90 Prozent der Bevölkerung in einer der Krankenkassen versichert sind. An der ambulanten ärztlichen Versorgung von GKVVersicherten dürfen Ärzte allerdings nur teilnehmen, wenn sie hierzu als „Vertragsarzt“ der GKV zugelassen sind. Im Sozialrecht wird die ambulante ärztliche Versorgung von Kassenpatienten darum als „vertragsärztliche Versorgung“ bezeichnet150. Ambulant tätige Ärzte, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, können als „Privatärzte“ in der Regel nur Privatpatienten oder Kassenpatienten auf deren eigene Rechnung behandeln. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die vertragsärztliche Versorgung. Das System der vertragszahnärztlichen Versorgung wird nicht gesondert dargestellt, da es in seinen wesentlichen Grundstrukturen weitgehend identisch ist mit dem der vertragsärztlichen Versorgung.

5.1 Strukturmerkmale

Die ambulante ärztliche Versorgung in Deutschland weist eine Reihe von zentralen Strukturmerkmalen auf. Dies sind im Einzelnen: Niederlassungsfreiheit der Ärzte, freie Arztwahl der Patienten, Übertragung zentraler Aufgaben auf Kassenärztliche Vereinigungen, Bedarfsplanung und Zulassungsbegrenzungen, Gliederung in hausärztliche und fachärztliche Versorgung, Gruppenverhandlungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen, gemeinsame Selbstverwaltung durch Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen.

• Niederlassungsfreiheit: Jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland hat das Grundrecht auf freie Wahl des Berufes (Art. 12 GG). Dieses Grundrecht gilt auch für den ärztlichen Beruf. Insofern besteht in Deutschland für Ärzte im Grundsatz die Freiheit der Niederlassung und Eröffnung einer Praxis.

Will ein niedergelassener Arzt allerdings an der vertragsärztlichen Versorgung von Kassenpatienten teilnehmen, braucht er eine gesonderte Zulassung als Vertragsarzt. Diese Zulassung wird nur erteilt, wenn der Arzt bestimmte gesetzliche und in einer Zulassungsverordnung festgelegte Voraussetzungen erfüllt und in der Bedarfsplanung die für die vertragsärztliche Versorgung festgelegte Arztzahl je Einwohner in dem betreffenden Zulassungsbezirk nicht überschritten wird (vgl. die Erläuterungen zur „Bedarfsplanung“ an späterer Stelle).

• freie Arztwahl: Im Grundsatz haben Patienten die Wahl, sich von einem Arzt ihres Vertrauens behandeln zu lassen. Für GKV-Versicherte gelten allerdings Einschränkungen (§ 76 SGB V). Auf Kosten der Krankenkasse können sie sich nur durch zugelassene Vertragsärzte oder zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte Ärzte behandeln lassen (z. B. ermächtigte Krankenhausärzte). Wählen sie einen anderen als den nächst erreichbaren Vertragsarzt und entstehen dadurch Mehrkosten, kann ihnen die Krankenkasse diese Mehrkosten in Rechnung stellen. Privatärzte dürfen Versicherte der GKV nur in Notfällen auf Kosten der Krankenkasse in Anspruch nehmen.

• Übertragung zentraler Aufgaben auf Kassenärztliche Vereinigungen: Eine wesentliche Besonderheit des Systems der ambulanten ärztlichen Versorgung ist die zentrale Stellung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Sie sind eine Institution ganz besonderer Art, da sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts sowohl staatliche Aufgaben wahrnehmen als auch Interessenvertretung der Vertragsärzte sind (§§ 77–81 SGB V). Ihnen ist vom Staat der sogenannte „Sicherstellungsauftrag“ für die ambulante ärztliche Versorgung übertragen worden (§ 75 Abs. 1 SGB V). Der Sicherstellungsauftrag verpflichtet die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu, in allen Bereichen ihres KV-Bezirks für eine ausreichende vertragsärztliche Versorgung zu sorgen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen – und nicht die einzelnen Ärzte – sind in der Regel Verhandlungspartner der Krankenkassen bei der Vereinbarung von Verträgen und Vergütungen. Zudem erhalten die Kassenärztlichen Vereinigungen die von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütungen für die ambulante ärztliche Versorgung und verteilen sie nach festgelegten Regeln an die einzelnen Vertragsärzte.

• Bedarfsplanung und begrenzte Zulassung: Um eine Überversorgung oder Unterversorgung zu vermeiden, wird die Kapazitätsentwicklung in der ambulanten ärztlichen Versorgung im Rahmen einer Bedarfsplanung reguliert (§§ 99–105 SGB V). Überversorgte Gebiete sind den gesetzlichen Vorgaben entsprechend mit einer Zulassungssperre zu belegen, für unterversorgte Gebiete sind Maßnahmen zu ergreifen, um Ärzte zur Niederlassung in diesen Regionen zu motivieren.

• Gliederung in hausärztliche und fachärztliche Versorgung: Die vertragsärztliche Versorgung wird in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Teil unterschieden (§ 73 SGB V). Im Zentrum der vertragsärztlichen Versorgung sollen die Hausärzte stehen, die das persönliche Umfeld des Patienten kennen, alle wesentlichen Befunde zusammenführen und den Patienten als Lotse durch das Gesundheitssystem begleiten. Die Inanspruchnahme von Fachärzten soll nach Möglichkeit nur auf Überweisung durch einen Hausarzt geschehen. Die Realisierung dieser gesundheitspolitischen Leitvorstellung ist bislang allerdings noch nicht in dem Maße vorangekommen, wie es von der Politik seit Langem angestrebt wird.